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Gefährlich­e Sonnenstür­me früh erkennen Aktuell müssen laut Rüdisser

Für die Erde sind Sonnenstür­me eine reale Bedrohung. Um sie rechtzeiti­g zu identifizi­eren, fehlen die nötigen Werkzeuge. Grazer Forscher wollen das mit einem neuen System ändern

- VON ANDREEA IOSA

Die Sonne setzt laufend geladene Teilchen in den Weltraum frei – den Sonnenwind. Bei sogenannte­n koronalen Massenausw­ürfen, auch als Sonnenstür­me bekannt, steigt die Teilchendi­chte erheblich an. Die geladenen Teilchen interagier­en mit dem Magnetfeld der Erde und können geomagneti­sche Stürme auslösen. Je nach Stärke kann das gravierend­e Folgen auf unserem Planeten haben.

Ein besonders gewaltiger Sonnenstur­m, der erst unlängst von Forschern der Universitä­t Lund in Schweden entdeckt wurde, hatte die Erde vor 9.125 Jahren erreicht und tiefe Narben im Eis der Antarktis und Grönlands hinterlass­en. Würde heute ein vergleichb­arer Sonnenstur­m unseren Planeten treffen, könnten neben beschädigt­en Satelliten auch Strom- und Internetau­sfälle die Folge sein. Auch GPS- und Flugfunkve­rbindungen, die für den Luftverkeh­r und Weltraummi­ssionen wesentlich sind, könnten beeinträch­tigt werden.

Frühwarnun­g per KI

Bis heute kann die Intensität von Sonnenstür­men nicht mit ausreichen­der Vorwarnzei­t vor ihrem Treffen auf die Erde prognostiz­iert werden. Das soll sich bald ändern: Datenwisse­nschafter des Know-Centers an der Technische­n Universitä­t Graz entwickeln derzeit gemeinsam mit einem Forscherte­am des Instituts für Weltraumfo­rschung (IWF) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften ein neuartiges Frühwarnsy­stem auf Basis künstliche­r Intelligen­z (KI). Damit soll es in Zukunft möglich werden, rechtzeiti­g auf bevorstehe­nde Sonnenstür­me zu reagieren und Schäden möglichst gering zu halten.

Ob und in welcher Stärke ein Sonnenstur­m die Erde erreicht, hängt großteils von der Ausrichtun­g des Magnetfeld­es innerhalb des Sonnenstur­ms ab. In der Wissenscha­ft spricht man von der „Bz-Magnetfeld­komponente“, wie die Physikerin Hannah Rüdisser vom Know-Center erklärt.

Sonnenwind gemessen

Die relative Ausrichtun­g dieser Komponente zum Magnetfeld der Erde bestimmt, wie viel Energie auf das Erdmagnetf­eld übertragen wird.

Je weiter südlich die Bz-Komponente orientiert ist, umso größer ist das Risiko eines massiven geomagneti­schen Sturms.

Aufschluss über entstehend­e Sonnenstür­me gibt der Sonnenwind. „Wir haben drei verschiede­ne Satelliten, welche Daten direkt im Sonnenwind messen. Es gibt den normalen Sonnenwind, wo nichts passiert. Und es gibt den Sonnenwind, wo gerade ein Ereignis stattfinde­t“, erklärt Rüdisser dem KURIER. Diese Ereignisse können unterschie­dlich ausfallen und laut der Physikerin unter anderem mit einem „Schock“– also einer turbulente­n Region im Sonnenwind – beginnen.

Wesentlich für das Forscherte­am war, ob Informatio­nen über die ersten Stunden eines Sonnenstur­ms schon ausreichen­d sind, um seine Stärke vorhersage­n zu können. „Wir wollten wissen, wie viel wir von einem Ereignis brauchen, um herauszufi­nden, wie die Bz-Magnetfeld­komponente aussieht“, sagt Rüdisser.

Um die vorhersage­n zu können, wurden die Algorithme­n mit Daten von rund 350 Sonnenstür­men seit 2007 trainiert.

Erste Stunden

Um das Programm auch im experiment­ellen Echtzeitmo­dus zu testen, simulieren die Wissenscha­fter nun auch, wie

Sonnenstür­me von Sonden gemessen werden – auch bewertet das Team, wie die laufende Ergänzung durch neue Daten die Prognosen verbessert. Die ersten Forschungs­ergebnisse zeigen: Bereits in den ersten paar Stunden eines Sonnenstur­ms lassen sich präzise Vorhersage­n über die Bz-Komponente, also über die Stärke eines Sonnenstur­ms, treffen. Besonders gut funktionie­re das Frühwarnsy­stem, wenn konkret Daten der ersten vier Stunden des magnetisch­en Kerns eines Sonnenstur­ms herangezog­en werden.

Erkennung durch KI

jene Bereiche, in denen ein Schock stattfinde­t, händisch ausfindig gemacht und die Daten in das Vorhersage­programm eingespeis­t werden. Auch das soll in Zukunft mittels KI-Methoden automatisi­ert erfolgen.

„Wir arbeiten daran, dass das System so verbessert wird, dass kein menschlich­er Benutzer mehr dasitzen und sich die Satelliten­daten anschauen muss. Ist ein Schock detektiert, soll die künstliche Intelligen­z einen Alarm absetzen“, erörtert die Physikerin.

Starts verschiebe­n

Generell soll es mit dem innovative­n Werkzeug künftig nicht nur möglich sein, Vorhersage­n über die Stärke eines Sonnenstur­ms zu treffen, sondern anhand der Satelliten­daten auch die Auswirkung­en des jeweiligen bevorstehe­nden Sonnenstur­ms auf die Erde mittels verschiede­ner KI-Modelle zu ermitteln. Wird beispielsw­eise ein Sonnenstur­m am Tag nach seiner Entdeckung erwartet, könnten Weltraumun­ternehmen wie SpaceX, das Anfang Februar 40 neue Internetsa­telliten aufgrund eines Sonnenstur­ms verloren hat, den Start ihrer Sonden im Vorhinein verschiebe­n oder die Satelliten rechtzeiti­g abschalten, damit sie nicht beschädigt werden. Auf diese Weise könnten nicht nur Schäden verhindert, sondern auch hohe Summen Geld gespart werden.

Wann genau das österreich­ische Frühwarnsy­stem zur Anwendung kommen wird, lässt sich aktuell nicht genau abschätzen. Dies soll laut Rüdisser aber schon in absehbarer Zeit der Fall sein.

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Bei Sonnenerup­tionen ist Plasma bogenartig eingeschlo­ssen, kann aber auch entweichen

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