Gefährliche Sonnenstürme früh erkennen Aktuell müssen laut Rüdisser
Für die Erde sind Sonnenstürme eine reale Bedrohung. Um sie rechtzeitig zu identifizieren, fehlen die nötigen Werkzeuge. Grazer Forscher wollen das mit einem neuen System ändern
Die Sonne setzt laufend geladene Teilchen in den Weltraum frei – den Sonnenwind. Bei sogenannten koronalen Massenauswürfen, auch als Sonnenstürme bekannt, steigt die Teilchendichte erheblich an. Die geladenen Teilchen interagieren mit dem Magnetfeld der Erde und können geomagnetische Stürme auslösen. Je nach Stärke kann das gravierende Folgen auf unserem Planeten haben.
Ein besonders gewaltiger Sonnensturm, der erst unlängst von Forschern der Universität Lund in Schweden entdeckt wurde, hatte die Erde vor 9.125 Jahren erreicht und tiefe Narben im Eis der Antarktis und Grönlands hinterlassen. Würde heute ein vergleichbarer Sonnensturm unseren Planeten treffen, könnten neben beschädigten Satelliten auch Strom- und Internetausfälle die Folge sein. Auch GPS- und Flugfunkverbindungen, die für den Luftverkehr und Weltraummissionen wesentlich sind, könnten beeinträchtigt werden.
Frühwarnung per KI
Bis heute kann die Intensität von Sonnenstürmen nicht mit ausreichender Vorwarnzeit vor ihrem Treffen auf die Erde prognostiziert werden. Das soll sich bald ändern: Datenwissenschafter des Know-Centers an der Technischen Universität Graz entwickeln derzeit gemeinsam mit einem Forscherteam des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein neuartiges Frühwarnsystem auf Basis künstlicher Intelligenz (KI). Damit soll es in Zukunft möglich werden, rechtzeitig auf bevorstehende Sonnenstürme zu reagieren und Schäden möglichst gering zu halten.
Ob und in welcher Stärke ein Sonnensturm die Erde erreicht, hängt großteils von der Ausrichtung des Magnetfeldes innerhalb des Sonnensturms ab. In der Wissenschaft spricht man von der „Bz-Magnetfeldkomponente“, wie die Physikerin Hannah Rüdisser vom Know-Center erklärt.
Sonnenwind gemessen
Die relative Ausrichtung dieser Komponente zum Magnetfeld der Erde bestimmt, wie viel Energie auf das Erdmagnetfeld übertragen wird.
Je weiter südlich die Bz-Komponente orientiert ist, umso größer ist das Risiko eines massiven geomagnetischen Sturms.
Aufschluss über entstehende Sonnenstürme gibt der Sonnenwind. „Wir haben drei verschiedene Satelliten, welche Daten direkt im Sonnenwind messen. Es gibt den normalen Sonnenwind, wo nichts passiert. Und es gibt den Sonnenwind, wo gerade ein Ereignis stattfindet“, erklärt Rüdisser dem KURIER. Diese Ereignisse können unterschiedlich ausfallen und laut der Physikerin unter anderem mit einem „Schock“– also einer turbulenten Region im Sonnenwind – beginnen.
Wesentlich für das Forscherteam war, ob Informationen über die ersten Stunden eines Sonnensturms schon ausreichend sind, um seine Stärke vorhersagen zu können. „Wir wollten wissen, wie viel wir von einem Ereignis brauchen, um herauszufinden, wie die Bz-Magnetfeldkomponente aussieht“, sagt Rüdisser.
Um die vorhersagen zu können, wurden die Algorithmen mit Daten von rund 350 Sonnenstürmen seit 2007 trainiert.
Erste Stunden
Um das Programm auch im experimentellen Echtzeitmodus zu testen, simulieren die Wissenschafter nun auch, wie
Sonnenstürme von Sonden gemessen werden – auch bewertet das Team, wie die laufende Ergänzung durch neue Daten die Prognosen verbessert. Die ersten Forschungsergebnisse zeigen: Bereits in den ersten paar Stunden eines Sonnensturms lassen sich präzise Vorhersagen über die Bz-Komponente, also über die Stärke eines Sonnensturms, treffen. Besonders gut funktioniere das Frühwarnsystem, wenn konkret Daten der ersten vier Stunden des magnetischen Kerns eines Sonnensturms herangezogen werden.
Erkennung durch KI
jene Bereiche, in denen ein Schock stattfindet, händisch ausfindig gemacht und die Daten in das Vorhersageprogramm eingespeist werden. Auch das soll in Zukunft mittels KI-Methoden automatisiert erfolgen.
„Wir arbeiten daran, dass das System so verbessert wird, dass kein menschlicher Benutzer mehr dasitzen und sich die Satellitendaten anschauen muss. Ist ein Schock detektiert, soll die künstliche Intelligenz einen Alarm absetzen“, erörtert die Physikerin.
Starts verschieben
Generell soll es mit dem innovativen Werkzeug künftig nicht nur möglich sein, Vorhersagen über die Stärke eines Sonnensturms zu treffen, sondern anhand der Satellitendaten auch die Auswirkungen des jeweiligen bevorstehenden Sonnensturms auf die Erde mittels verschiedener KI-Modelle zu ermitteln. Wird beispielsweise ein Sonnensturm am Tag nach seiner Entdeckung erwartet, könnten Weltraumunternehmen wie SpaceX, das Anfang Februar 40 neue Internetsatelliten aufgrund eines Sonnensturms verloren hat, den Start ihrer Sonden im Vorhinein verschieben oder die Satelliten rechtzeitig abschalten, damit sie nicht beschädigt werden. Auf diese Weise könnten nicht nur Schäden verhindert, sondern auch hohe Summen Geld gespart werden.
Wann genau das österreichische Frühwarnsystem zur Anwendung kommen wird, lässt sich aktuell nicht genau abschätzen. Dies soll laut Rüdisser aber schon in absehbarer Zeit der Fall sein.