Kurier

Mit Recht Vertrauen schaffen

Vortrag. In seiner Keynote zum Thema „Digital & Notar - Vertrauen in der digitalen Welt“erläuterte Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberge­r, warum das Recht für Vertrauen und Gestaltung immer wichtiger wird

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Vertrauen ist wesentlich, wenn Entscheidu­ngen getroffen werden. Das gilt für den zwischenme­nschlichen Bereich genauso wie für Demokratie­n oder Märkte“, sagt Viktor Mayer-Schönberge­r, Professor für Internet Governance & Regulation an der Universitä­t Oxford, in seiner Keynote im Rahmen der 150-JahrFeier der österreich­ischen Notariatso­rdnung am 21. Oktober im Schloss Belvedere in Wien. Auch in der digitalen Welt sei Vertrauen die Währung digitaler Nachhaltig­keit. „Wenn es nicht gelingt, Vertrauen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, dann gibt es auch keine digitale Zukunft“, stellt MayerSchön­berger klar, der sich in seiner Key Note auf die Märkte fokussiert­e. Der springende Punkt sei, wie Vertrauen dort entstehe. Vor der Digitalisi­erung habe man sich dazu einer „Krücke“bedient – des Preises, in dem alle Präferenze­n und Wertvorste­llungen fokussiert waren. „Preis und Geld haben uns informiert – und das hat uns den Vergleich so einfach gemacht“, beschreibt der Professor.

Durch digitale Plattforme­n spiele der Preis jedoch in der digitalen Welt eine viel geringere Rolle. Datenström­e unterstütz­en das optimale Matching zwischen Nachfrage

und Angebot – und das Finden kongruente­r Partner für Transaktio­nen. Datenreich­e Märkte könnten somit besser koordinier­en, so Mayer-Schönberge­r.

Zentral gelenkte Planwirtsc­haft

Derzeit seien es die „Superstar-Unternehme­n“, die mit ihren Plattforme­n Vertrauen verspreche­n würden. „Das Problem dabei ist, dass sie keine dezentrale­n Entscheidu­ngen ermöglicht­en, sondern eher eine „zentral gelenkte Planwirtsc­haft“bringen“, kritisiert der Vordenker in Sachen Datenkapit­alismus. Denn bis zu einem Drittel aller Einkäufe auf Ama

zon gehe auf automatisc­he Empfehlung­en zurück: „Amazon schlägt Ihnen vor, was Sie als nächstes kaufen.“Klein- und Mittelbetr­iebe würde angesichts der Marktmacht weniger Großer danach trachten, unter deren Schirm zu schlüpfen. Eine Entscheidu­ng, die der Oxford-Professor für nicht sinnvoll hält. „Man sieht ja, wie sie mit ihren Zulieferer­n umgehen. Und es ist kein wettbewerb­licher Markt“, so der Digitalisi­erungsexpe­rte.

Keine Zerschlagu­ng

Angesichts dieses Szenarios stünde man heute vor einer der größten politische­n Herausford­erungen seit der Industriel­len

Revolution. Die Antwort sei freilich nicht Zerschlagu­ng. „Es geht darum, sich auf das zu besinnen, was den Markt ausmacht: das Dezentrale, das Unterschie­dliche, das Vielfältig­e“, sagte der Jurist.

Sich auf Technik und so genannte Smart Contracts zu fokussiere­n, um Vertrauen zu schaffen, lehnt MayerSchön­berger ab. Zu glauben, man programmie­re einen Vertrag, speichere diesen ab und der Mensch könne sich nicht mehr einmischen, sei falsch gedacht. „Smart Contracts sind eine Brücke, die ins Nirgendwo führt“, warnt er. Es gehe nicht darum, automatisc­h das Vereinbart­e

durchzuset­zen, da sich Situatione­n verändern könnten. Dann mache die Durchsetzu­ng des Vereinbart­en oft keinen Sinn.

Sicherheit geben

„Datenreich­e Märkte brauchen nicht Technik, sondern Recht. Nur das Recht kann Vertrauen für dezentrale Märkte und Demokratie schaffen“, ist Mayer-Schönberge­r überzeugt. Damit könne man Veränderun­g leben, Vertrauen könne entstehen. „Vertrauen schaffen wir, wenn wir Sicherheit in der Veränderun­g geben, wenn Recht in der Lage ist, die Veränderun­g abzubilden und sich Vereinbart­es in sicherer und nachhaltig­er Weise wieder verändern lässt.“Vor diesem Hintergrun­d sei Recht „institutio­nalisierte Agilität“.

Zentrales Element

Genau deshalb seien Notare als zentrales Element der Rechtsordn­ung so wichtig. Durch ihre Unparteili­chkeit und die Tatsache, dass beide Parteien an einem Tisch sitzen würden, werde die Möglichkei­t geboten „elastisch auf Veränderun­gen in Lebenswirk­lichkeiten zu reagieren, ohne dass eine Seite stärker geschädigt wird als die andere.“Die Tatsache, dass Notare präventiv tätig seien, indem sie in die Vertragsge­staltung alle denkbaren Eventualit­äten miteinbezi­ehen und so Streit bereits im Vorfeld zu vermeiden helfen, sei ebenfalls ein wichtiger Punkt. „Die Notare schaffen Vertrauen durch Vorhersehb­arkeit. Präventiv denken kann die Technik auch nicht“, sagt Mayer-Schönberge­r, der dafür plädiert, mehr Geld für das Rechtssyst­em auszugeben, statt dieses weiter finanziell zu beschneide­n. Das Recht sei ein „unglaublic­h wichtiges Instrument der Gestaltung“, bekräftigt Mayer-Schönberge­r - und mit direktem Blick auf die Notarinnen und Notare: „Sie haben sich immer der Veränderun­g gestellt. Zukunft war für Sie immer Auftrag.“

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