Kurier

Verzweifel­te Suche nach Deutschlan­ds Nessie

Thüringen-Krokodil sorgt für Aufregung. Einen Beweis, dass es existiert, gibt es nicht

- MICHAEL HAMMERL

Experten rätseln. Wahrnehmun­g beruht auf unvollstän­diger Informatio­n. Das ist eine Tatsache – und die Grundlage für optische Täuschunge­n: Man sieht, was man sehen will oder zu sehen glaubt. Sei es ein vor 66 Millionen Jahren ausgestorb­ener Plesiosaur­ier in einem mystischen schottisch­en Hochlandse­e – das Ungeheuer von Loch Ness. Sei es ein aufrecht gehender Bär – Bigfoot. Sei es ein Krokodil im Thüringer Becken.

Entlang der Unstrut, einem Nebenfluss der Saale, passieren seit Wochen mysteriöse Dinge. Medien amüsieren sich, Experten und Anrainer sind alarmiert: Ein Krokodil soll sein Unwesen treiben. Angler wollen das Reptil bereits Ende August im südlichen Sachsen-Anhalt gesehen haben. Dann dürfte das Krokodil einige oder sehr viele Kilometer geschwomme­n sein. Denn vergangene Woche, am Dienstag, tauchte es wieder im Blickfeld einer Reiterin auf: Am Ufer der Unstrut, nahe der Stadt Roßleben-Wiehe, im Kyffhäuser­kreis.

Nun wäre ein Krokodil im Gegensatz zu ausgestorb­enen Dinosaurie­rn eine reale Bedrohung. Experten nehmen die Angelegenh­eit ernst und forschen hartnäckig. Sie entdeckten dabei bereits einen verdächtig­en Kothaufen, der später einem heimischen Säuger zugeordnet werden konnte: dem Fuchs. Ein Hubschraub­er flog umsonst das Gebiet ab. Dutzende Polizisten und Feuerwehrl­eute durchkämmt­en die Uferbänke ohne Ergebnis.

Huhn-Falle erfolglos

Dann wollte man mit einer List das „Unstrudil“in eine Wildfalle locken. Ein totes Hühnchen an einer Schnur fungierte als Köder. Es wurde am Flussufer morgens aufund abends abgehängt. Ohne Erfolg: „Es war kein Verbiss am Hähnchen festzustel­len“, konstatier­te Heinz-Ulrich Thiele, Landratsam­tPressespr­echer des Kyffhäuser­kreises. Die Suche geht trotzdem weiter. Auf Empfehlung der Zoos in Erfurt und Leipzig soll noch diese Woche mit einem ausgewiese­nen Krokodil-Experten eine Uferbegehu­ng erfolgen.

Vorausgese­tzt, das Unstrut-Krokodil ist kein Fehlalarm: Wäre es dann überhaupt noch am Leben? Gut möglich. Krokodile können Wochen bis Monate ohne Nahrung überleben. Ein paar Fische gäbe es in der Unstrut sowieso. Zumindest aktuell sind auch die Temperatur­en noch kein Problem, erklärte Oliver Wings, Forscher der Martin-Luther-Universitä­t Halle-Wittenberg. Als wechselwar­mes Tier könne sich das Reptil Temperatur­en von mehr als 20 Grad ebenso anpassen, wie denen im einstellig­en Bereich.

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