Ticketpreise weiter im Sinkflug
Wizz-Chef Jozsef Varadi rechnet mit minus 20 Prozent
Wirtschaft von innen
Der Rückschlag durch die Corona-Krise hält die BilligAirlines nicht davon ab, gegen die etablierten Netzwerk-Carrier anzufliegen. Im Gegenteil. Die mit 450 Millionen Euro Staatshilfe gerettete AUA verliert in Österreich weiter Marktanteile
(siehe Grafik). Die LufthansaTochter, die vor einigen Jahren noch 60 Prozent Marktanteil in Wien hatte, ist auf 34 Prozent abgedriftet. Vor Corona im Jänner waren es noch 40 Prozent. Auch die Lufthansa und die AUASchwester Eurowings verlieren Marktanteile.
Die börsenotierte ungarische Wizz Air steigerte sich in Österreich von 8 auf 15 Prozent. Konkurrent Ryanair konnte mit allen KonzernAirlines inklusive Lauda von 11 auf 25 Prozent zulegen.
Zur Klarstellung: Alle Airlines, auch die Low-Coster, haben gegenüber dem Vorjahr drastische Einbußen bei den Passagierzahlen. Wizz etwa verlor im Sommer gegenüber dem Vorjahr 50 Prozent der Passagiere. Aber die BilligAirlines kommen mit der desaströsen Situation in der Luftfahrt offenbar besser zurecht und holen sich Marktanteile. AUA-Chef Alexis von
Hoensbroech sprach in der Vorwoche von einem superharten Wettbewerb und klagte über die Aggressivität von Wizz und Ryanair.
Wird noch spannend, wie sich das Match zwischen diesen beiden Low-Costern, die keine Staatshilfe beantragten, zuspitzen wird. Mitbewerber Level (gehörte zum IAG-Konzern von British Airways und Iberia) hat in Wien aufgegeben und sich in die
Insolvenz verabschiedet. Die britische EasyJet fährt ihr Geschäft stark zurück und ist in Wien kaum noch präsent.
Lauda lagert derzeit gerade den Flugbetrieb nach Malta aus. In heimischen Luftfahrtkreisen wird darüber spekuliert, ob die Belegschaft im Office nach Auslaufen der Kurzarbeit-Behaltefrist gekündigt wird.
Wizz-Chef Jozsef Varadi erwartet, dass die Ticketpreise noch weiter nachgeben werden, um die Passagiere zum Fliegen zu motivieren. Er rechnet mittelfristig mit einem Sinkflug von weiteren 10 bis 20 Prozent. Der Winter werde für alle Airlines sehr hart und zu einer besonderen Belastungsprobe, sagte der Airline-Chef am Montag in Wien. Jedes Land verordne andere Restriktionen und die Nachfrage der Passagiere sinke wieder. Trotzdem wolle Wizz keine Strecken streichen.
„Geldverschwendung“
Wie jede andere Airline auch werde Wizz für 2020 einen Verlust einfliegen. Die Liquidität bezifferte Varadi mit 1,5 Milliarden Euro. Müssten alle Flugzeuge im Wort Case am Boden bleiben, würde Wizz pro Monat 70 Millionen Cash verbrennen. Unter allen Airlines am Flughafen Wien hat Wizz die niedrigsten Kosten.
Ebenso wie bereits Ryanair-Chef Michael O’Leary kritisierte Varadi Staatshilfe für Airlines als „Geldverschwendung“
und „Wettbewerbsverzerrung“. Nicht mehr konkurrenzfähige Airlines könnten damit weiter bestehen. Das sei keine Hilfe, sondern behindere die Gesundung der europäischen Luftfahrtindustrie und der gesamten Wirtschaft.
„Die österreichische Regierung schützt die AUA, aber Angebot und Nachfrage sollten entscheiden“, wetterte Varadi. AUA und Lufthansa würde die Staatsgelder „nie zurückzahlen können, das ist bei diesem Geschäftsmodell unmöglich“.
Mindestpreis
Den von der türkis-grünen Regierung bei der AUA-Rettung angekündigte Mindestpreis pro Strecke von rund 40
Euro hält auch Varadi für nicht vereinbar mit EURecht: „Der Staat kann nicht in die Freiheit der Preisgestaltung eingreifen“. O’Leary hatte bereits angekündigt, dagegen zu klagen.
Die Regierung jedoch ist wild entschlossen. „Ein Arbeitskreis aus Luftfahrt-, Verkehrs- und Klimaschutzexperten arbeitet seit dem Sommer gemeinsam mit Fachleuten für EU-Agenden an einer Lösung“, erklärte der für Luftfahrt zuständige ÖVP-Staatssekretär im Klimaschutzministerium Magnus Brunner gegenüber dem KURIER. Er rechne mit einem Ergebnis noch in diesem Jahr.
Eine internationale Anwaltskanzlei habe EU-rechtlich den Weg bereits vorgezeigt, „jetzt muss das noch verfassungsrechtlich abgesichert in nationales Recht umgesetzt werden“. Airlines sollen verpflichtet werden, alle Steuern und Gebühren an die Passagiere weiter zu geben. Daraus ergebe sich der Mindestpreis von rund 40 Euro. Auch andere EU-Länder, etwa Deutschland und Frankreich, seien an einer Lösung „sehr interessiert“, berichtet Brunner.
Die Mehrheit der Österreicher befürworte es, aus Umweltschutzgründen Billig-Tickets zu verbieten. Laut einer Umfrage von Unique Research für profil halten 72 Prozent der Österreicher Mindestpreise für eine gute Idee.