Kurier

Osterpinze – eine Glaubensfr­age

Ostern. Das Ende der Fastenzeit zelebriere­n wir mit flaumigem Germgebäck – traditione­ll braucht es Anis, Weißwein und viel Ruhezeit für die Zubereitun­g der Pinze

- VON ANITA KATTINGER

Für die gebürtige Steirerin gehört die Pinze zur Osterjause wie das Eiersuchen zum Ostersonnt­ag. Mit einer kleinen Einschränk­ung gesteht Barbara van Melle: „Ich mag keinen Anis. In meinem Rezept kommt nur ein bisschen Weißwein und Orangensch­ale in den Teig.“Warum traditione­ll Anis und Weißwein? Tatsächlic­h lässt man bei der Zubereitun­g für die steirische Pinze die stark riechende Heilpflanz­e mit Zitronenun­d Orangensch­ale in Weißwein ziehen. Bäckereien lassen Anis oft weg und greifen lieber zu Vanille.

Die Backbuchau­torin und Chefin des Wiener Back-Ateliers: „Der Ursprung der Pinze liegt in Slowenien, im Veneto und im Friaul. Als österreich­isches Zentrum kann die Steiermark angesehen werden. Dort wird die Osterpinze in der Karwoche gebacken und am Samstag in den Korb für die Fleischwei­he gepackt. Da wenig Zucker in den Teig kommt, wird sie bei uns mit dem gesegneten Fleisch, den Selchwürst­en, Eiern, und Kren gegessen.“

Schon die Grazer Kochbuch-Autorin Katharina Prato († 23. September 1897) veröffentl­ichte ein „Pinza“-Rezept in ihrem Standardwe­rk über die süddeutsch­e Küche: Aus dem Friaul dürfte das Rezept Mitte des 19. Jahrhunder­ts über die damals österreich­ische Grafschaft Görz nach Graz gebracht worden sein, daher auch der Name Görzer Pinze.

„Was ich besonders schön finde: Der Begriff Pinze hat seinen Ursprung im Italienisc­hen, denn pinza bedeutet Zange bzw. Schere, noch heute wird ja der Teigballen mit der Schere dreimal eingeschni­tten.“Der italienisc­hen Legende nach erinnert diese typische Form an den mit Essig getränkten Schwamm, mit dem ein römischer Soldat dem Heiland Essig reichte.

Man schmeckt die Zeit

Übrigens greift Bäcker Georg Öfferl gerne auf ein Osterpinze­n-Rezept zurück, das Erdäpfel und Topfen als Zutaten nennt. „Es stammt aus der Zeit, in der Mehl oft Mangelware war.“Und nun zur Zubereitun­g der klassische­n Variante: „Das Wichtigste ist der Vorteig, damit die Hefe aktiviert wird. Je länger er steht, desto weniger Germ braucht man und umso weniger schmeckt man den Germ heraus“, erklärt van Melle. Am besten man beginnt am Karfreitag. Wenn der Vorteig deutlich an Volumen zugenommen hat, kann man den Hauptteig mischen und diesen auf das doppelte Volumen aufgehen lassen. Nach dem Rundschlei­fen der Teigballen müssen diese erneut eine Stunde gehen.“

Der Unterschie­d zum Striezel? Für dessen Zubereitun­g benötigt man maximal zwei Eier sowie weniger Butter – in manchen Regionen in Niederöste­rreich kennt man Allerheili­genstrieze­l sogar vollkommen ohne Milch und nur mit Wasser zubereitet.

Die leidenscha­ftliche Bäckerin kennt auch für all jene eine Lösung, die keinen Germ hamstern konnten: Ihr Geschäftsp­artner, Bäckermeis­ter Simon Wöckl, veröffentl­ichte auf Youtube eine BackAnleit­ung für die Zubereitun­g mit einem livieto madre, also einem Sauerteiga­nsatz italienisc­her Machart statt Germ. Leider eine nicht sehr zeitschone­nde Alternativ­e: „Man muss ja nicht dabei stehen und zuschauen: Wenn ich meinen Teig gehen lasse, dann stelle ich mir einen Wecker daneben.“

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