„Smartphones müssten mindestens 25 Jahre halten“
Ressourcen schonen. Der Europachef der Reparatur-Platfform iFixit über den ökologischen Fußabdruck unserer Handys
Die internationale Initiative iFixit möchte Menschen dazu animieren, Geräte zu reparieren, anstatt sie zu ersetzen. Dazu hat man unter der Webseite ifixit.com eine Plattform ins Leben gerufen, wo zahlreiche Reparaturanleitungen zur Verfügung gestellt werden – etwa für Smartphones, Tablets, Computer und sogar Autos. Verfasst werden sie von Freiwilligen, das Gemeinschaftsprojekt funktioniert dabei ähnlich wie Wikipedia. Zudem vertreibt iFixit selbst auch Werkzeuge und Ersatzteile.
Der KURIER hat mit iFixit-Europachef Matthias Huisken darüber gesprochen, wie Smartphones zur Rettung des Weltklimas beitragen können.
Warum ist ein Recht auf Reparatur bei Smartphones so wichtig für den Klimaschutz?
Matthias Huisken: 32 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind dem industriellen Sektor, also der Produktion von Gütern zuzuschreiben. Damit ist dies der Wirtschaftssektor mit dem größten Anteil an den durch Menschen entstandenen Emissionen. Es liegt auf der Hand, dass sich der gesamte Materialdurchsatz in Versorgungssystemen verringert, wenn Verbraucher deutlich länger an ihrem Besitz festhalten.
Wie lange genau sollen Smartphones funktionieren und repariert werden können?
Aus Umwelt- und Klimaschutzperspektive sollten Smartphones nur dann ersetzt werden, wenn ein neues Produkt im Gebrauch soviel energie- und ressourceneffizienter ist, dass es die Emissionen aus der Produktionsphase ausgleicht. Je nach Gerät läge dieser optimale Zeitraum verblüffenderweise zwischen 25 und 232 Jahren.
Das klingt aber nicht sehr realistisch als Ziel, oder?
Ja, aber wir würden bereits die Hälfte der Produktionsemissionen im Zusammenhang mit Smartphones einsparen, wenn wir die Lebensdauer eines durchschnittlichen Smartphones von 2 auf 4 Jahre verdoppeln könnten. Dies würde voraussetzen, dass Ersatzteile und relevante Informationen mindestens 5 Jahre lang verfügbar sein müssten. Allein durch eine Verlängerung der Lebensdauer aller Smartphones in der EU um ein Jahr ließen sich bis zum Jahr 2030 bereits 2,1 mt CO2 pro Jahr einsparen, was im Effekt der Stilllegung von über einer Million Autos entspräche.
Welche Smartphone-Hersteller agieren hier Ihrem Wissen nach bereits sorgfältig, welche sind die großen Sünder?
Die meisten der großen Smartphone-Hersteller entwickeln Geräte nicht auf ihre Reparierbarkeit hin. Das reparaturfreundlichste Smartphone wird von Fairphone hergestellt. Die am häufigsten ausfallenden Komponenten, der Akku und das Display, werden bei der Produktgestaltung vorrangig behandelt und können im Fairphone 2 gänzlich ohne Werkzeug oder im Fairphone 3 mit einem normalen Philips-Schraubendreher ersetzt werden. Bei Apple ist hingegen die verhältnismäßig lange Software-Unterstützung von vier bis fünf Jahren bemerkenswert.
Apple blockiert aber die Entwicklung zum Recht auf Reparatur, kann man das wirklich als Vorbild bezeichnen?
Apple hat eine der restriktivsten Richtlinien. Es gibt viele Reparaturen, die nicht einmal in autorisierten Werkstätten erlaubt sind. In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei Mobiltelefonen, die in die Toilette gefallen sind, sagt Apple, dass Reparaturen
oder Datenabfragen nicht möglich sind. Unabhängige Werkstätten konnten jedoch Daten durch den Austausch von Komponenten auf der Leiterplatte sehr wohl wiederherstellen.
Wie sehen das die Smartphone-Kunden?
Viele Verbraucher sind von der kurzen Lebensdauer der existierenden Produkte frustriert. Europäische Unternehmen, die im Bereich der Werterhaltung wie Reparatur, Aufarbeitung und Wiederverwendung tätig sind, sehen sich bei ihrer Arbeit mit unnötigen Hindernissen konfrontiert.
Die EU-Kommission hat ein Recht auf Reparatur in ihrem Aktionsplan verankert. Ist das ein gutes Zeichen, dass sich etwas bewegt?
Möglicherweise greifen die geplanten Maßnahmen zu kurz, denn Reparatur sollte für alle Menschen verfügbar sein und somit Mainstream werden.
Das bedeutet, dass die Reparatur eines Produkts nicht mehr kosten sollte als der Kauf eines neuen Produkts. Und: Rechtliche Barrieren sollten Einzelpersonen, unabhängige Werkstätten oder gemeinschaftliche Reparaturgruppen nicht daran hindern, defekte Produkte zu reparieren. Wir wollen ein universelles Recht auf Reparatur: Alle Bürger sollen während der gesamten Lebensdauer eines Produkts Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturhandbüchern haben.