Des Kanzlers neue, konziliante EU-Linie
Parteigesinnung verbindet – und so hatte Kanzler Sebastian Kurz gestern bei seinem Wieder-Antrittsbesuch in Brüssel leichtes Spiel: Kurz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kennen einander schon lange. Von Freundschaft zu sprechen wäre übertrieben, aber die meisten politischen Linien teilen der ÖVP-Chef und die christdemokratische „Frau Europa“doch. Entsprechend herzlich fiel der Empfang für Kurz aus, während viele andere in Brüssel noch immer und nicht ohne Skepsis über die Wandlungsfähigkeit des jüngsten europäischen Regierungschefs staunen:
Wie schnell es Kurz doch geschafft hatte, sich von der Nähe des – in Brüssel wenig goutierten – früheren rechtspopulistischen Koalitionspartners zu befreien. Stattdessen präsentiert sich der neu-alte Kanzler nun selbstbewusst als Chef einer in Europa einzigartigen Regierungszusammenarbeit von Konservativen und Grünen. Überschäumenden Jubel gibt es dafür nicht, wohl aber großes Interesse, wie sich dieses türkis-grüne Experiment auch auf europäischer Ebene darstellen wird.
Da überrascht Kurz abseits seines bekannten Mantras, dass die illegale Migration bekämpft werden müsse, mit der Botschaft des „Brückenbauens“. Verbindlicher im Ton und viel konzilianter angesichts der früher ständig von ihm kritisierten „Überregulierung“in Brüssel will er nun selbst europäische Akzente setzen. An die Nachbarn in Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei will er sich wenden und so versuchen, die oft tiefen Gräben zwischen Ost- und Westeuropa zu verringern. In Brüssel ist dies eine Botschaft, die man gerne vernimmt. Wenn die Regierung Kurz diese Spannungen mildern könnte – es wäre ein pro-europäischer Kraftakt mit Vorbildwirkung.