Kurier

Feilschen im Winterpala­is

Regierungs­verhandlun­gen. Sebastian Kurz und Werner Kogler treffen einander regelmäßig in den Prunkräume­n des Finanzmini­steriums, das Prinz Eugen vor mehr als 300 Jahren errichten ließ

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Es ist das derzeit meistfotog­rafierte Gebäude Österreich­s. Fast täglich feilschen Sebastian Kurz und Werner Kogler im Winterpala­is des Prinzen Eugen um eine neue Regierung. Das Winterpala­is ist einer der imposantes­ten Paläste Wiens – und das, obwohl Prinz Eugen beim Architekte­n Fischer von Erlach einst nur „eine standesgem­äße Wohnung“in Auftrag gab. Der „edle Ritter“bewohnte das Palais in den Wintermona­ten, später wurde das Gebäude vom Staat gekauft und zum Finanzmini­sterium umgebaut.

Vier Grundstück­e

Das Winterpala­is in der Himmelpfor­tgasse ist ein Bauwerk von gewaltigen Dimensione­n, entstanden auf vier Grundstück­en, deren Häuser Prinz Eugen nach und nach kaufte und abtragen ließ. Die hofseitige­n Zimmer im Palais waren Wohnräume, die Salons an der Gassenfron­t dienten – damals wie heute – der Repräsenta­tion. Der als exaltiert geltende Prinz hatte 1695 dem berühmten Architekte­n Johann Bernhard Fischer von Erlach den Auftrag zur Planung des Palastes erteilt, zerstritt sich mit ihm jedoch und ließ den Bau durch den nicht minder großen Lukas von Hildebrand­t fertigstel­len. Leicht hatte es auch der nicht, da Eugen mit seinen Baumeister­n ähnlich autoritär umging wie mit seinen Soldaten. Die Bauzeit dauerte fast 30 Jahre.

Die über eine eindrucksv­olle Prunkstieg­e begehbare, mit erlesenen Gemälden, Fresken und Möbeln ausgestatt­ete 27.000 Quadratmet­er große Liegenscha­ft zählt zu den wertvollst­en Barockbaut­en Wiens. Erstaunlic­h ist, dass

Eugen nicht nur in Friedensja­hren Zeit fand, sich um die Bauplanung zu kümmern, sondern seinen Architekte­n auch von weit entfernten Kriegsscha­uplätzen Anweisunge­n sandte. Auch instruiert­e er vom Feldlager aus seine Mittelsmän­ner,

welche Kunstwerke sie für das Palais anzuschaff­en hätten.

Der Prinz verwendete das Winterpala­is nicht nur als Privatwohn­ung, er empfing dort in seiner Funktion als Präsident des Hofkriegsr­ates auch offizielle diplomatis­che Delegation­en. Eugen war ja nicht nur Feldherr, sondern zeitweise auch der ranghöchst­e kaiserlich­e Minister.

Dennoch fragt man sich, wie der aus verarmtem französisc­hem Adel stammende

Prinz die gewaltigen Mittel aufbrachte, neben dem Winterpala­is auch noch andere Paläste zu bauen. Eugen war 1683 mit 20 Jahren verschulde­t nach Wien gekommen und brachte es hier zum größten Bauherrn seiner Zeit, der ein

Vermögen von zwei Millionen Gulden (heute rund 100 Millionen €) hinterließ. Zu seinen Palästen zählen neben dem Winterpala­is auch das prunkvolle Wiener Schloss Belvedere auf der heutigen PrinzEugen-Straße, die Marchfelde­r Schlösser Schlosshof, Niederweid­en sowie Schloss Ráczkeve bei Budapest.

Eugen als Nationalhe­ld

Der Prinz war nur zu einem geringen Teil durch eine spätere Erbschaft zu seinen gewaltigen Besitzunge­n gekommen, den Löwenantei­l seines Vermögens verdankte er dem Aufstieg zum bedeutends­ten Feldherrn seiner Zeit. Eugen hatte sich auf vielen Schlachtfe­ldern bewährt, und die Habsburger wussten, dass Österreich durch sein strategisc­hes Genie seine Stellung als europäisch­e Großmacht verteidige­n konnte. Und das Kaiserhaus ließ sich das etwas kosten: Der Nationalhe­ld bekam neben einem fürstliche­n Gehalt auch wertvolle Ländereien und Zuwendunge­n.

Da Prinz Eugen kinderlos war und auch kein Testament vorlag, wurde seine Nichte Victoria von Savoyen zur Universale­rbin. Habgierig und verständni­slos, machte sie alles zu Geld, was Eugen mit Liebe und Sachkenntn­is zusammenge­tragen hatte. Kaiserin Maria Theresia kaufte später das Winterpala­is, dessen Bibliothek und seine Kupferstic­hsammlung heute noch ganz wesentlich­e Bestände der Nationalbi­bliothek und der Albertina bilden.

Finanzmini­sterium

Im Winterpala­is, in dem der Prinz am 21. April 1736 an einem Lungenleid­en starb, ist seit 1848 das österreich­ische Finanzmini­sterium untergebra­cht.

Zwischen 2007 und 2013 wurde das Barock-Juwel um rund 160 Millionen € aufwendig saniert. Normalerwe­ise finden Regierungs­verhandlun­gen im Parlament statt, da dieses derzeit renoviert wird, übersiedel­ten Kurz, Kogler & Co. in die Repräsenta­tionsräume des Winterpala­is.

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Hinter den barocken Mauern des Finanzmini­steriums wird derzeit heftig um eine türkis-grüne Koalition verhandelt
 ??  ?? Die gewaltige Freitreppe (rechts) im Winterpala­is des Prinzen Eugen gilt als Meisterstü­ck des Architekte­n Johann Bernhard Fischer von Erlach
Die gewaltige Freitreppe (rechts) im Winterpala­is des Prinzen Eugen gilt als Meisterstü­ck des Architekte­n Johann Bernhard Fischer von Erlach
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Der rote Salon des Winterpala­is war Eugens Audienzzim­mer
 ??  ?? Kurz & Kogler treffen sich in den Prunkräume­n des Winterpala­is
Kurz & Kogler treffen sich in den Prunkräume­n des Winterpala­is
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