Kurier

Didi Kühbauer, Rapid-Trainer

Austria Wien. Ein Fan spricht über Fehler der Vergangenh­eit, Leiden der Gegenwart und die Zukunftsho­ffnung

- VON ALEXANDER STRECHA

Der gebürtige Burgenländ­er verliert mit den Wienern zuhause 0:1 gegen seinen Ex-Klub St. Pölten.

„Die Austria ist wie ein abgewirtsc­haftetes Haubenloka­l, das nicht einmal mehr ein g’scheites Gulasch zusammenbr­ingt. Die Leute kommen nicht, weil man das Lokal umbaut, sondern wegen des Essens.“Stefan Herles ist seit seinem 5. Lebensjahr Austrianer, seine Treue zu den Violetten hält mittlerwei­le 42 Jahre lang. Kulinarisc­h fasst er im Café Engländer in der Wiener Innenstadt die Lage der Veilchen wie folgt zusammen: „Jetzt hat man nicht einmal mehr ein Rezept, um gute Lebensmitt­el zu kaufen.“

Herles, dessen Idol Tibor Nyilasi war, hat sämtliche Höhen und Tiefen mit seiner Austria durchlebt. Früher fuhr er mit den Veilchen auch in die Ferne, das Gastspiel am heutigen Sonntag (17 Uhr) beim LASK wird er nicht vor Ort erleben. „Für Auswärtsfa­hrten fehlt mittlerwei­le der Anreiz.“Die Austria ist in Pasching Außenseite­r.

Zu viele Löcher

Wie fühlt es sich an, in dieser sportliche­n wie wirtschaft­lichen Krise AustriaFan zu sein? Verschwimm­t die Leidensfäh­igkeit schon mit Masochismu­s? Wie Stefan Herles geht es aktuell vielen Anhängern des angeblich so gepflegten Fußballs, dennoch möchte er primär für sich reden. Er spricht dabei in Bildern. „Es fühlt sich an, als wäre irgendwie die Luft draußen. Als würde Luft aus einer Luftmatrat­ze entweichen. Man versucht, sie wieder aufzublase­n, doch es sind einfach zu viele Löcher drinnen.“

Auf der intellektu­ellen Ebene ist es verständli­ch, dass man sich am Verteilerk­reis noch einige Zeit in Geduld wird üben müssen. Allerdings liegt einem die Situation emotional schon viel mehr im Magen. „Man wird schön langsam resignativ“, gibt Herles zu. „Denn seit Jahren ist der Stadionbes­uch überwiegen­d mit Frustratio­n verbunden.“Diverse PRFloskeln und Ausreden der Vereinsfüh­rung finden bei ihm absolut kein Gehör mehr. „Das Vereinsmot­to ,Anspruch und Stil‘ wird massiv zum Bumerang.“Seine Austria sieht er „stuck in the middle“– stecken geblieben im Mittelmaß, wie auch Sportvorst­and Peter Stöger bei einem Treffen mit dem Club 1911 bestätigte.

Geduld statt Eitelkeit

Herles, der Granden wie Nyilasi zugejubelt hat, kann sich mit den aktuellen Spielern kaum noch identifizi­eren. „Wer ist denn sympathisc­h und cool?“Das System Mannschaft, meint der Wiener, sei toxisch in der Gruppendyn­amik. Es fehlt an Mechanisme­n, damit talentiert­e Spieler unter Druck nicht zerbröckel­n. Der Fan wagt einen Seitenblic­k Richtung Kärnten. „Weniger Talentiert­e sind beim WAC besser, weil sie wissen, dass in jedem Spiel harte Arbeit nötig ist.“Bei der Austria geht ihm die Geduld ab. „Fußball ist keine lineare Arbeit, der Verein hat eine geringe Frusttoler­anz. Und die Eitelkeit verzerrt das Bild.“Harte Worte eines Austrianer­s, der das Schönreden der Klubführun­g schon leid ist.

Stotternde­r Motor

In guten wie in schlechten Zeiten, die Fans leisten gerne Hilfe. „Aber sie wird ja nicht angenommen, ihnen ist offensicht­lich nicht zu helfen.“Viele Anhänger, die zum violetten Inventar gehören, gehen nicht mehr ins Stadion. „Es gibt derzeit keinen objektiven Grund, Austrianer zu sein.“Einige Fans seien in die innere Emigration gegangen.

Herles nennt den aus seiner Sicht größten Fehler der jüngsten Vergangenh­eit: „Man hat geglaubt, dass neben dem Stadionbau das Sportliche schon irgendwie gehen würde. Doch nur eine funktionie­rende Kampfmanns­chaft kann eine wirtschaft­liche Stabilität gewährleis­ten. Dabei hat man unterschät­zt, wie sehr die Kampfmanns­chaft der Motor für alles ist.“

Disneyland-Rivalität

Auch die seit Jahren immer aggressive­r werdende Rivalität zwischen Austria und Rapid ist ihm ein Dorn im Auge. „Ich verstehe den Tribalismu­s nicht. Die zwei Vereine müssten jede Woche zusammensi­tzen und diskutiere­n, wie der Wiener Fußball wieder besser wird. Das gelingt nur in Kooperatio­n.“Denn aktuell sei dieser nur ein unbedeuten­der Nebenschau­platz. Herles spricht von einer „Disneyland-Rivalität“. Eine moderne Unsitte, die im Gewand der Tradition erscheint. „Doch die Tradition war doch eine ganz andere.“

Von der Tradition kann sich die Austria schon seit einiger Zeit nichts kaufen.

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 ??  ?? Zum Wegschauen: Die Austrianer bereiten ihren Fans mit den Leistungen und den Ergebnisse­n seit längerer Zeit keine Freude mehr. Die Frage ist, wann die Leidenszei­t endet
Zum Wegschauen: Die Austrianer bereiten ihren Fans mit den Leistungen und den Ergebnisse­n seit längerer Zeit keine Freude mehr. Die Frage ist, wann die Leidenszei­t endet
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Violett seit 42 Jahren: Stefan Herles steht zu seiner Austria

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