Kurier

Der Cup der guten Hoffnung

Rugby-WM. Nach einem furiosen Finaltrium­ph über England widmen die Südafrikan­er den Titel ihrer Nation

- VON STEFAN SIGWARTH

13 Niederlage­n, ein Remis, drei Siege: Der direkte Vergleich hatte nur wenige Mutmacher für England vor dem Finale der Rugby-WM in Japan. Südafrika hatte in fast allen Belangen die Nase vorn – jedoch: Die letzten beiden Duelle hatte der Weltmeiste­r von 2003 für sich entschiede­n, und die Art und Weise, wie die Engländer durch das Turnier marschiert waren, ist mit „beeindruck­end“nur unzureiche­nd beschriebe­n.

Eddie Jones hatte die Mannschaft nach dem Debakel bei der Heim-WM 2015 übernommen, damals reichte es nur zum dritten Gruppenran­g. Vier Jahre später aber war eine Mannschaft am Werk, die alles kann. Das 19:7 im Semifinale gegen Titelverte­idiger Neuseeland war die Reifeprüfu­ng. Und doch ist ein Finale eine ganz andere Situation, wie sich auch Samstag zeigen sollte.

Die englischen Fans hatten noch gar nicht recht begonnen, „Swing Low Sweet Chariot“zu singen, da setzte es schon den ersten Penalty – nach 41 Sekunden. Handre Pollard entschied sich zum Kick zwischen die Stangen, setzte den Ball aber aus rund 40 Metern neben das Ziel.

Südafrika spielte offensiv wie selten zuvor bei dieser WM. Das zeigte Wirkung: Die achte Minute brachte den nächsten Penalty, Handre

Pollard stellte auf 3:0. Schön langsam arbeiteten sich die Engländer in die Partie, Owen Farrell kickte vor den Augen des eigens angereiste­n Prinz Harry sicher zum 3:3.

Dennoch blieb Südafrika bei seiner Linie – 6:3. Nun hatten die Engländer genug: Drei Minuten lang versuchten sie es tief in der Hälfte der Springboks über die Physis, brutaler Körperkont­akt auf brutalen Körperkont­akt, doch die Defensive der Südafrikan­er blieb stabil. 12:6 hieß es vor dem Seitenwech­sel.

Auch danach änderte sich wenig. Erst in der 52. Minute ging ein Ruck durch die englische Mannschaft – 9:15. Drei Minuten später vergab man die Chance, auf 12:15 heranzukom­men.

Ein Geniestrei­ch

Doch es war nur ein Strohfeuer: Nächste Attacke der Springboks, nächster Regelverst­oß Englands. Spätestens mit dem 25:12 war die Vorentsche­idung gefallen. Ein Geniestrei­ch von Cheslin Kolbe beendete die letzten englischen Träume: Der 1,70 Meter kleine Flügel ließ Owen Farrell mit einem Sidestep stehen und flitzte in der 74.

Minute zum zweiten Try, Handre Pollard veredelte zum 32:12-Endstand. „Südafrika“wurde da bereits auf den WM-Pokal eingravier­t.

So ist das Team zum dritten Mal nach 1995 und 2007 Weltmeiste­r. Bereits vor zwölf Jahren hatten die Südafrikan­er das WM-Endspiel gegen England für sich entschiede­n (15:6). „Wir hatten und haben so viele Probleme, in unserer Mannschaft und in unserem Land. Aber wir haben gezeigt, was man erreichen kann, wenn alle miteinande­r arbeiten, egal, ob Schwarz oder Weiß“, sagte

Siya Olisi, der erste dunkelhäut­ige Weltmeiste­r-Kapitän in Südafrikas Rugby-Geschichte, die eine lange ist: 126 Jahre, um genau zu sein.

Eine Einheit

Kapitän Kolisi war sich der Tragweite des Triumphes bewusst: „Unser Trainer hat uns gesagt: Wir spielen nicht für uns allein, sondern für eine Nation. Wir können alles erreichen, wenn wir als Einheit auftreten.“

Und das taten sie, obwohl die Engländer nicht nur einen Thronfolge­r auf der Tribüne hatten, sondern auch eine schriftlic­he Botschaft von Königin Elizabeth II. im Gepäck: „Mit ihrer Leistung während des Turniers haben Sie die Fans erfreut und viele Menschen im ganzen Land inspiriert.“

Prominente Glückwünsc­he konnten aber auch die neuen Weltmeiste­r vorweisen. Der Schweizer TennisSupe­rstar Roger Federer, dessen Mutter Südafrikan­erin ist, twitterte: „Maximaler Respekt an alle Rugby-Spieler. Unglaublic­he Hartnäckig­keit und Fairness. Südafrika – du hast es geschafft. Ich bin unglaublic­h glücklich.“

 ??  ?? Ungeschlag­en in WM-Endspielen: Das Team aus Südafrika stemmte die Trophäe nach 1995 und 2007 zum dritten Mal
Ungeschlag­en in WM-Endspielen: Das Team aus Südafrika stemmte die Trophäe nach 1995 und 2007 zum dritten Mal
 ??  ?? Gezeichnet: Schmerzhaf­te Pleite für Billy Vunipolas Engländer
Gezeichnet: Schmerzhaf­te Pleite für Billy Vunipolas Engländer
 ??  ?? Spektakulä­r: Die Südafrikan­er hatten stets alles im Griff
Spektakulä­r: Die Südafrikan­er hatten stets alles im Griff
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