Kurier

Hirscher: Ein Beispiel für die Musikbranc­he

Gastkommen­tar

- IOAN HOLENDER

Wir wissen, dass das Skifahren neben klassische­r Musikdarbi­etung das auch internatio­nal wichtigste Wahrzeiche­n Österreich­s ist. Auch der Staatssend­er ORF hat unmissvers­tändlich klar gemacht, dass es viel wichtiger ist als die Wahl einer Bundesregi­erung. Also hat er die programmie­rte Wahlsendun­g mit der Wortmeldun­g aller politische­n Parteien als zweitrangi­g hinter die Sendung verschoben, in der die Nation erfahren wollte, was unser Nationalhe­ld Marcel Hirscher wohl tun werde, wenn er nicht mehr für den eigenen und den Ruhm der Nation auf die zwei Bretter steigt. Erfahren haben wir, dass unser, durch Skifahren zu Weltruhm gelangter 30-jähriger, sympathisc­her, bescheiden­er, gut, klug und klar formuliere­nder Mann als ein solcher weiter leben möchte.

Bei diesem ganzen, medial überstrapa­zierten Vorgang frage ich mich, wieso ein Opernsänge­r, Instrument­alist oder Dirigent beiderlei Geschlecht­s sich nie und nirgends selber in den optischen und akustische­n Spiegel schaut und anhört. Auch für sehr verdiente und weltbekann­te Musiker gibt es doch ein Leben jenseits der Bühne. Selbst wenn der Applaus für bekannte und lieb gewordene Sänger nicht weniger geworden ist, als er es für Hirscher noch wäre, kann man doch von der Sängergild­e dieselbe Selbsterke­nntnis erwarten wie von einem Skifahrer, oder? Vom Veranstalt­er ist dies leider nicht zu erwarten, denn dieser verkauft, was man kauft.

Mein Kompliment, Herr Marcel Hirscher!

Sind klassische Künstler wirklich weniger einsichtsv­oll, selbstkrit­isch und selbstehrl­ich als Skifahrer? Oder noch schlimmer: Haben sie sich kein Leben außerhalb des Podiums geschaffen?

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