Hirscher: Ein Beispiel für die Musikbranche
Gastkommentar
Wir wissen, dass das Skifahren neben klassischer Musikdarbietung das auch international wichtigste Wahrzeichen Österreichs ist. Auch der Staatssender ORF hat unmissverständlich klar gemacht, dass es viel wichtiger ist als die Wahl einer Bundesregierung. Also hat er die programmierte Wahlsendung mit der Wortmeldung aller politischen Parteien als zweitrangig hinter die Sendung verschoben, in der die Nation erfahren wollte, was unser Nationalheld Marcel Hirscher wohl tun werde, wenn er nicht mehr für den eigenen und den Ruhm der Nation auf die zwei Bretter steigt. Erfahren haben wir, dass unser, durch Skifahren zu Weltruhm gelangter 30-jähriger, sympathischer, bescheidener, gut, klug und klar formulierender Mann als ein solcher weiter leben möchte.
Bei diesem ganzen, medial überstrapazierten Vorgang frage ich mich, wieso ein Opernsänger, Instrumentalist oder Dirigent beiderlei Geschlechts sich nie und nirgends selber in den optischen und akustischen Spiegel schaut und anhört. Auch für sehr verdiente und weltbekannte Musiker gibt es doch ein Leben jenseits der Bühne. Selbst wenn der Applaus für bekannte und lieb gewordene Sänger nicht weniger geworden ist, als er es für Hirscher noch wäre, kann man doch von der Sängergilde dieselbe Selbsterkenntnis erwarten wie von einem Skifahrer, oder? Vom Veranstalter ist dies leider nicht zu erwarten, denn dieser verkauft, was man kauft.
Mein Kompliment, Herr Marcel Hirscher!
Sind klassische Künstler wirklich weniger einsichtsvoll, selbstkritisch und selbstehrlich als Skifahrer? Oder noch schlimmer: Haben sie sich kein Leben außerhalb des Podiums geschaffen?