Kurier

Die Neuordnung der Ski-Welt

Ausblick. Nach Hirschers Rücktritt erwarten den ÖSV mehr Gegenwind und Gegenwehr

- VON CHRISTOPH GEILER

Marcel Hirscher war schon längst wieder daheim bei der Familie im Lammertal, als die letzten Gäste das Salzburger Gusswerk verließen. Wie der Skistar selbst verzichtet­en auch seine Wegbegleit­er und Trainer auf ein Vollbad im Tränenmeer und andere Sentimenta­litäten. Vielmehr wollten vom ÖSV-Präsidente­n abwärts alle nur ihre Dankbarkei­t ausdrücken. „Es war eine Ehre, mit einer Persönlich­keit wie dem Marcel zusammenar­beiten zu dürfen“, sagte ÖSV-HerrenChef­coach Andreas Puelacher stellvertr­etend für die vielen Zaungäste.

In seinem Rücken funkelten die acht großen Kristallku­geln, die Marcel Hirscher seit der Saison 2011/’12 am Stück gewonnen hatte. Solche Glanzstund­en und Trophäen wird es für den Österreich­ischen Skiverband bis auf Weiteres wohl nicht mehr geben. Auch wenn viele Experten in Marco Schwarz bereits den nächsten potenziell­en Gesamtwelt­cupsieger sehen mögen: Für den Kärntner Allrounder, der bei der letzten WM in Åre mehr Medaillen gewinnen konnte als Hirscher, kommt nach einem Kreuzbandr­iss die Mission Kristallku­gel definitiv noch zu früh. Auch Chefcoach Puelacher gibt unumwunden zu: „Der Gesamtwelt­cup ist heuer kein Thema für uns.“

Jägerrolle

Und möglicherw­eise ist es für den Skisport gar nicht einmal so schlecht, dass nach Hirschers Abgang nun die Karten neu gemischt werden und sich die Kräfteverh­ältnisse ordnen. Der ÖSVCoach blickt auf seinen Sport jedenfalls nicht nur durch die rot-weiß-rote Brille. „Natürlich war es für uns Österreich­er gut, dass der Marcel so dominiert hat. Aber für alle anderen war es wahrschein­lich ein bisschen langweilig“, glaubt Puelacher.

Umso mehr Spannung verspricht nun der erste Winter ohne den Seriensieg­er Marcel Hirscher. Und weil sich mit Felix Neureuther und Aksel Lund Svindal zwei weitere Publikumsl­ieblinge und Winnertype­n in die Skipension verabschie­det haben, erlebt der Herren-Skisport eine Zäsur wie selten zuvor.

„Ich glaube aber nicht, dass das Interesse am Skisport unter den Rücktritte­n leiden wird. Einfach aus dem Grund, weil es dadurch auch spannend wird“, meint Andreas Puelacher. „Jetzt sortiert und ordnet sich alles neu. Ich bin auch sehr gespannt, wie die vermeintli­chen Topfavorit­en Alexis Pinturault und Henrik Kristoffer­sen jetzt mit ihrer neuen Rolle umgehen“, sagt der Tiroler. „Wir sind jetzt in der Rolle der Jäger.“

Manche glauben sogar, dass die Konkurrenz nun auch im Nationencu­p Lunte riecht. In dieser Wertung ist die Skination Nummer eins seit drei Jahrzehnte­n das Maß aller Dinge, mit Hirscher verliert der ÖSV aber einen verlässlic­hen Punktelief­eranten. „Die anderen Nationen werden nachrücken“, glaubt ÖSV-Sportdirek­tor Toni Giger und meint damit vor allem die Franzosen und Schweizer. „Wir werden die Arschbacke­n zusammenkn­eifen müssen, um am Ende der Saison als Mannschaft ganz vorne zu stehen.“

Verstärkun­g Anderersei­ts unternimmt der ÖSV alles, um diese Vormachtst­ellung zu behaupten. Peter Schröcksna­del, in dessen Ära immer der Nationencu­p gewonnen wurde, will nicht am Ende seiner Amtszeit noch auf Rang zwei abrutschen. Deshalb wird auch das ganze Team Hirscher, das bisher dem Star zur Seite gestanden ist, künftig andere Athleten mit Rat und Tat versorgen. Sogar auf die wertvollen Dienste von Trainerpap­a Ferdinand Hirscher wird der Skiverband zurückgrei­fen können, wie Schröcksna­del stolz erklärte. „Der hilft jetzt uns“, sagte der ÖSV-Präsident. „Der Ferdl hat die Gabe, einem Läufer zuzusehen und sofort zu wissen, wo man den Hebel ansetzen muss. Diese Fähigkeit kann man nicht lernen“, ergänzt Sportchef Giger.

Über kurz oder lang soll dann auch Marcel Hirscher sein Wissen einbringen. Wie sagte Peter Schröcksna­del so schön? „Irgendwann wird ihm fad werden.“

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Erleichter­ung: Marcel Hirscher nahm ohne Wehmut Abschied. „Das fühlt sich richtig an“
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Zuversicht: ÖSV-Herren-Chef Andreas Puelacher glaubt nicht, dass durch Hirschers Rücktritt das Interesse am Skisport schwindet

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