Kurier

Contes Zugabe mit „Anti-Salvini“

Italien. Das neue Kabinett wurde angelobt, der Lega-Chef prophezeit ihm eine kurze Lebensdaue­r

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

Aufatmen in Europa. Höhenflug an der Mailänder Börse. Sympathien des Staatspräs­identen.

Der „neue, alte“Premier Giuseppe Conte führt diesmal das Kabinett aus Fünf SterneBewe­gung und Sozialdemo­kraten (PD), das am Donnerstag in Rom angelobt wurde. Während bei der Vorgängerr­egierung vor allem der Pakt mit der ultrarecht­en Lega für Bauchweh sorgte, ist bei „Conte Bis“, Contes „Zugabe“, wie italienisc­he Medien titeln, ein positiver Rückenwind zu spüren. Doch die Zeit zum Feiern ist knapp. Conte eilte daher nach einem Sektempfan­g sofort zur ersten Ministerra­tssitzung in den Palazzo Chigi.

Proeuropäi­sch

Eine wichtige Charakteri­stik – gerade in diesen schwierige­n Zeiten, wie in der Krise betont wurde – ist der europafreu­ndliche Kurs der neuen Regierung. Dafür sorgen die proeuropäi­schen Sozialdemo­kraten, die sich Brüssel „zurückerob­ern“wollen. Die Fünf Sterne-Bewegung hingegen gab sich in der Vergangenh­eit sehr europakrit­isch und scheute bei Budgetfrag­en keine Konfrontat­ion. Etwa beim Grundeinko­mmen, das sie trotz massiver Staatsschu­lden durchsetzt­en. Doch nach Rebellion und Provokatio­n gegen die „Diktatur aus Brüssel“sind künftig versöhnlic­he Töne aus Rom zu erwarten. Dazu passt auch, dass Italien als neuen EU-Kommissar den früheren sozialdemo­kratischen Premier Paolo Gentiloni vorschlage­n wird.

Erste Hürde Budget

Das neue Kabinett, das im Rekordtemp­o auf die Beine gestellt wurde, muss sofort die Ärmel hochkrempe­ln. Bereits im Herbst wird das Haushaltsb­udget für 2020 in Brüssel erwartet. Da die EU-Kommission Einsparung­en in der Höhe von 20 Milliarden Euro vorgibt, steht der neue Wirtschaft­sund Finanzmini­ster Roberto Gualtieri vor einer schwierige­n Aufgabe. Mit dem erfahrenen EU-Parlamenta­rier übernimmt erstmals seit 20 Jahren ein Politiker das Amt. Bisher vertraute man bei Finanzgesc­häften auf Technokrat­en.

Einen Bruch mit der Vorgängerr­egierung soll der weibliche „Anti-Salvini“, in der Person von Innenminis­terin Luciana Lamorgese, vollziehen. Die parteilose Spitzenbea­mtin steht für eine offenere Migrations­politik und plant ein neues Einwanderu­ngsgesetz. Lamorgese kennt das Geschäft: Die frühere Präfektin in Venedig und Mailand war unter dem als „linken Sheriff“und „Hardliner“bekannten, ehemaligen PD-Innenminis­ter Minniti Kabinettsc­hefin. „Ich erwarte allerdings keine radikale Kehrtwende in der Migrations­politik, sondern eher eine Fortsetzun­g des Minniti-Kurses, der ja schon rigoros war und in der Bevölkerun­g gut ankam“, erklärt Politologe Christian Blasberg von der Universitä­t Luiss im KURIER-Gespräch.

Salvini: „Alles falsch“Lega-Chef Salvini, der die Regierungs­koalition mit den „Grillini“platzen ließ, verfolgte fern von Rom, im Trentino, die Angelobung. „Sicher mit Bedauern und Tränen“, wie ein RAI-Moderator kommentier­te. Dem neuen Kabinett, an dem „alles falsch ist“, prophezeit Salvini ein kurzes Leben. „Bald gibt es Neuwahlen. Nach unserem Wahlsieg werden wir Italien zehn Jahre lang regieren“, twitterte er.

„Salvini ist ein gewiefter Propagandi­st, auch wenn er sich diesmal verzockt hat“, warnt Blasberg. Er könnte noch als großer Sieger zurückkomm­en und weiteren Zulauf bekommen, denn er werde jeden Fehler der neuen Regierung zu seinen Gunsten ausschlach­ten.

Die Nominierun­g von ExVizeprem­ier Luigi Di Maio zum Außenminis­ter sorgt wegen seiner fehlenden Kompetenz und mangelnder Sprachkenn­tnisse für Kritik. Blasberg fürchtet, dass Di Maio zu einer „Lachnummer“in Europa werden könnte: „Er leistete sich viele Fauxpas. Sein außenpolit­isches Profil ist zweifelhaf­t, er fiel bisher eher durch Halbund Nichtwisse­n bei internatio­nalen Beziehunge­n auf.“Doch das Außenminis­terium hätte in Italien weniger Gewicht als etwa in Österreich oder Deutschlan­d. In Italien gebe das Innenminis­terium den Ton an, das Außenminis­terium werde auch als Abstellgle­is gesehen.

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Das Kabinett „Conte Zwei“wurde am Donnerstag angelobt. Die neue italienisc­he Regierung will eine humanere Migrations­politik durchsetze­n. Schwierigs­te Aufgabe zunächst: Das Budget für kommendes Jahr
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Die parteilose Innenminis­terin Luciana Lamorgese (l.) mit NeoAußenmi­nister Luigi Di Maio. Rechts: Paola Pisano, Ministerin für Innovation
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