Rechtsextreme Tendenzen im Heeresgeschichtlichen Museum
Minister Starlinger beruft Sonderkommission zur Prüfung ein
Provenienzforscher untersuchen, ob Objekte eines Museums womöglich gar nicht rechtmäßig im Eigentum des Staates sind. Unter anderem geht es dabei um jüdisches Eigentum, das von den Nazis geraubt wurde.
Der Provenienzforscher des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) Walter Kalina arbeitete brisanterweise früher für Martin Graf (FPÖ), mit dem die Israelitische Kultusgemeinde seit Langem ein fundamentales Problem hat. Kalina ist auch Mitglied in weit rechten Burschenschaften. Und: Er hat unter einem Pseudonym Beschreibungen von Künstlern ins Netz gestellt, die zur NSZeit wirkten. Eine Kunsthistorikerin hat sich die Texte angeschaut und ist entsetzt: Sie könne es nicht glauben, dass ein Historiker eines staatlichen Museums so etwas Unkritisches verfasst.
Viele weitere Vorwürfe HGM-Quellen berichten dem KURIER außerdem von „katastrophalen Zuständen“im Museum. Eine „blaue Partie“dort glaube seit Kurzem, sich alles erlauben zu können.
Mit dem 1998 beschlossenen Kunstrückgabegesetz hat sich die Republik Österreich verpflichtet, in der NS-Zeit geraubte Kunstwerke, die sich (noch immer) in den Bundesmuseen befinden, an die rechtmäßigen Eigentümer, vornehmlich Juden, zu restituieren.
Um eine Entscheidung für oder gegen die Rückgabe fällen zu können, werden seither Dossiers zu den Kunstwerken mit einer zweifelhaften Erwerbung erstellt, in der die Eigentümerkette dargelegt ist. Im Heeresgeschichtlichen Museum ist für diese Provenienzforschung ein ehemaliger FPÖ-Mitarbeiter, Walter Kalina, zuständig.
KURIER–Recherchen lassen Zweifel entstehen, ob Kalina seine Arbeit unvoreingenommen erledigt. Denn Kalina hatte während seiner Laufbahn auffallend oft und eng Kontakt zu Personen und Organisationen, denen Rechtsextremismus und Judenhass vorgeworfen wird.
FPÖ, Gothia und Höbelt Kalina hat beim Historiker Lothar Höbelt seinen Doktor gemacht, der in rechten Kreisen gut vernetzt ist. Kalina ist auch unter einem Pseudonym auf Wikipedia sehr aktiv (der KURIER enttarnte ihn, Kalina bestätigt).
Dort löschte er auch einen Eintrag über Höbelt, wonach dieser beim Holocaust-Leugner David Irving publiziert haben soll.
Kalina verteidigt auch FPÖ-Politiker. So löscht er in Wikipedia einen Absatz, wonach die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) die FPÖPolitikerin Barbara Rosenkranz für ihre Haltung zum NS-Verbotsgesetz kritisiert. „Ich denke, zum Thema Rechtsextremismus ist in diesem Artikel übergenug vorhanden“, schreibt Kalina. Andere User stellen die Passage wieder online, Kalina versucht wieder, sie zu löschen.
Kalina ist Mitglied der Pennalen Burschenschaft Germania Libera, laut DÖW, „eine sehr wilde, sehr weit rechts stehende Burschenschaft.“Kalina ist auch Bursche der Gothia Wien, die einst den Judenhass „berühmter Gothen“auf deren Website verschwieg.
Und da ist dann noch Martin Graf (FPÖ), für den Kalina in den Nullerjahren vor seiner HGM-Zeit arbeitete. Die IKG hat ein großes Problem mit Graf, dessen Burschenschaft Olympia vom DÖW als rechtsextrem eingestuft wird.
Der Semiosis-Blog stellte dem KURIER Kalinas Wikipedia-Beschreibungen zu Künstlern, die während der NS-Zeit wirkten, zur Verfügung.
„Unkritische Texte“
Eine Kunsthistorikerin der Uni Wien, die nicht namentlich genannt werden will, hat sich für den KURIER Kalinas Wikipedia-Texte über den Maler Max von Poosch angeschaut, der in der NS-Zeit tätig war. Sie sagt: „Würde ein Student von mir so einen völlig unkritischen Text schreiben, würde ich ihm den um die Ohren hauen. Ich bin entsetzt, dass heutzutage so etwas noch möglich ist.“Die Kunsthistorikerin wollte anfangs nicht glauben, dass es sich beim Verfasser um einen studierten Historiker handelt.
Kalina hat nämlich im Wikipedia-Text über Max von Poosch etwa nicht erwähnt, dass Poosch bei Adolf Hitlers Großer Deutschen Kunstausstellung in München 1939 und 1940 ausgestellt hatte. „Das ist zentral für seine Einordnung“sagt die Kunsthistorikerin. Kalina nennt Poosch bloß einen „österreichischen Landschaftsmaler“.
Ist er der Richtige? Laufen Kalinas Recherchen zu NS-Diebesgut ähnlich? Ist er der richtige Mann für die Provenienzforschung? Über eine Rückgabe kann er jedenfalls nicht entscheiden. Eine Kommission prüft die Recherchen, ehe sie eine Empfehlung an den Minister abgibt. Deren Vorsitzende Eva Blimlinger, die für die Grünen kandidiert, sagt: Die Dossiers des HGM entsprechen „den Standards der Kommission“, sie wünsche sich aber, dass die Provenienzforschung im HGM „intensiver und schneller“von statten gehe.