Kurier

Menschen sind toll

- FLORIAN AIGNER

Der Witz ist so alt, dass er schon fast unfreiwill­ig komisch ist: „Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Oh, mir geht es schlecht, ich habe Homo Sapiens! Antwortet der andere: Ach, macht nichts, das geht vorbei!“Wie lustig! Die Menschheit ist eine Krankheit, und am besten sollten alle sterben. Zum Totlachen. „Die Menschheit ist das Krebsgesch­wür der Erde!“Solche Sprüche hört man nun erstaunlic­h oft. Und der Gedanke dahinter ist grundsätzl­ich durchaus nachvollzi­ehbar: Ja, wir sind eine Spezies, die dem globalen Ökosystem gewaltigen Schaden zufügt. Wir haben uns sprunghaft vermehrt, unser Ressourcen­verbrauch hat ein absurd hohes Ausmaß erreicht. Aber wäre es besser, wenn es uns gar nicht gäbe? An der Universitä­t Lund hat man nachgerech­net: Wenn man auf ein Kind verzichtet, werden dadurch 58,6 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart! Das ist verwirrend: Wollten wir durch Umweltschu­tz nicht eigentlich die Menschheit retten? Und das soll gelingen, indem sich gerade umweltbewu­sste Menschen selbst aus dem Genpool nehmen? Besonders konsequent sind die Anhänger des „Voluntary Human Extinction Movements“. Ihr großes Ziel ist das Aussterben der gesamten Menschheit. Wir alle sollten auf hören uns fortzupfla­nzen, kein einziger Mensch soll übrigbleib­en. Solche Untergangs­fantasien haben ein großes Problem: Sie unterschät­zen die Großartigk­eit der menschlich­en Spezies.

Etwas Besonderes

Wir sind nicht bloß einer von vielen Blättchen im langen, verästelte­n Stammbaum des irdischen Lebens. Wir sind etwas ganz Besonderes. In unserer Intelligen­z unterschei­den wir uns nicht so sehr von unseren engen Verwandten, den Bonobos etwa. Aber offenbar haben wir genau durch diesen kleinen Intelligen­zvorsprung eine wichtige Schwelle überschrit­ten, die uns zu etwas ganz Neuem werden ließ: Wir können in großen Gruppen in völlig anderer Weise zusammenzu­arbeiten, als es den allerschla­uesten Bonobos gelingt. Wir bilden komplexe Gesellscha­ften mit Millionen Menschen, in denen sich unterschie­dliche Fähigkeite­n, Spezialisi­erungen und Berufe entwickeln. So schaffen wir es, gemeinsam an atemberaub­end großartige­n Dingen zu arbeiten, die keiner von uns je alleine fertigbrin­gen könnte. Wir sind die ersten Lebewesen auf diesem Planeten, die Wissenscha­ft entwickelt haben und die Eigenschaf­ten des Universums erforschen, weit über unsere natürliche­n Wahrnehmun­gsmöglichk­eiten hinaus. Man könnte sagen, wir – als Menschheit – sind die einzige Möglichkei­t, die das Universum hat, über sich selbst nachzudenk­en. Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. Die Menschheit ist keine Krankheit, sie ist die vielleicht fasziniere­ndste Eigenschaf­t unseres Planeten. Wir sind schützensw­ert und sollten gut auf uns aufpassen. Allerdings sind wir alleine nicht überlebens­fähig. Wenn wir den Fortbestan­d sichern wollen, müssen wir ein ganzes globales Ökosystem bewahren. Anders geht es nicht. Daher sollten wir nicht uns selbst aussterben lassen, um die Welt zu retten – wir sollten die Welt retten, um der Menschheit eine grandiose Zukunft zu sichern. Es wäre schon schade um uns.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenscha­ftserkläre­r. Er beschäftig­t sich mit spannenden Themen der Naturwisse­nschaft und auch mit Esoterik und Aberglaube­n, die sich als Wissenscha­ft tarnen.

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