Kurier

Der Heilung entkommen

Verbot von Homo-Therapie. Mit Gebeten sollen Schwule heterosexu­ell gemacht werden. Ein junger Mann erzählt von seinen Demütigung­en.

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

„Gott ist stärker, man muss den Teufel weiter anfechten“, haben die Priester zu Bastian Melcher gesagt. Immer und immer wieder. Der junge Mann ist euphorisie­rt, merkt aber, dass sich nichts verändert. „Nur Enttäuschu­ng, Frust, und Selbstmord­gedanken wurden stärker“, erzählt der 29-Jährige dem KURIER.

Melcher stammt aus einer evangelika­len Familie in Bremen, die Mitglied einer Freikirche ist. Er versuchte seine sexuelle Orientieru­ng mithilfe von Seelsorge zu ändern. Was man aus den USA kennt, und wie es derzeit im Kinofilm „Der verlorene Sohn“thematisie­rt wird, findet auch in Deutschlan­d und Österreich statt.

Als Bastian Melcher mit 14 Jahren entdeckt, dass er schwul ist, schämt er sich und schweigt. Er vertraut sich einem Jugendpfar­rer an, der ihm einen Kurs empfiehlt. Dort sind Menschen allen Alters, Alkoholkra­nke wie Drogensüch­tige – „alles wurde vermischt“, so Melcher, bei dem Einzelther­apie und Gottesdien­ste nichts änderten. „Sie sagen, dass du kein schlechter Mensch bist, aber die Gedanken sind halt schlecht“, erzählt Melcher, der fast verzweifel­te, weil er nicht so wird, wie Gott ihn haben will. „Teilweise war es so schlimm, dass ich nicht mehr leben wollte.“

Petition für Verbot

Genau aus diesem Grund hat der deutsche Student Lucas Hawrylak eine Petition gegen Konversion­stherapien gestartet. Mehr als 79.000 haben sie online unterzeich­net. Dass der offen schwul lebende Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) nun einlenkte und diese verbieten will, sieht er als Zwischener­folg. Mit Justizmini­sterin Katharina Barley (SPD) will Spahn bis Sommer eine Regelung erarbeiten.

Gesetze gibt es bereits in mehreren US-Bundesstaa­ten wie Kalifornie­n, New York, New Jersey. In Malta wiederum drohen Strafen von bis zu 5.000 Euro oder fünf Monaten Haft für den Versuch, sexuelle Orientieru­ng zu ändern. Für Hawrylak wäre das Gesetz ein wichtiges Signal: „Dass Homosexual­ität normal ist und man sie nicht aberziehen kann.“

Anders sieht es der evangelika­le Bibelbund. Er lehnt Spahns Vorstoß ab, sieht Homosexual­ität mit Verweis auf die Bibel als durchaus veränderba­r. Auf der Website des Instituts für dialogisch­e und identitäts­stiftende Seelsorge und Beratung (früher Wüstenstro­m) heißt es, dass man nicht „an eine angeborene und unflexible sexuelle Orientieru­ng“glaube. Man betreibe auch keine Konversion­stherapie, sondern begleite Menschen in der „Fluidität ihrer Sexualität“.

Paul Haller von der Menschenre­chtsinitia­tive HOSI Salzburg ist davon nicht überzeugt. Ebenso wenig von „christlich­en Hardlinern“, die an Schulen Sexualkund­e anbieten. Er verweist auf den Verein TeenStar, der in die Schlagzeil­en kam. In internen Schulungsu­nterlagen wird Homosexual­ität als „Identitäts­problem“bezeichnet und beim Umgang mit homosexuel­l empfindend­en Jugendlich­en auf Homepages von evangelika­len, christlich­en Gruppen verwiesen, die dazu Seminare anbieten.

Schwere Folgen

Der Weltärzteb­und sprach sich 2013 gegen Konversion­sstrategie­n aus und machte deutlich, dass Homosexual­ität keine Krankheit ist. Umpolungsv­ersuche seien nicht nur unwirksam, sie könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Das weiß auch Johannes Wahala. Der Wiener Sexualther­apeut und ehemalige Priester ist immer wieder mit Klienten konfrontie­rt, meist Männer, die mit ihrer Homosexual­ität des Glaubens wegen schwer zurechtkom­men und Hilfe in diversen Seminaren suchen. Wahala erlebt sie danach oft als schwer verstört. „Manche haben versucht, abstinent zu leben, und sind dann ‚rückfällig’ geworden. Andere leiden an Depression­en, Angst- und Schlafstör­ungen.“Zuletzt kam ein 19-Jähriger mit schwerer Paranoia in die Beratungss­telle Courage, die Wahala leitet und ein Verbot der Konversion­stherapie fordert. Wie viele Menschen betroffen sind, ist nicht bekannt. Vieles laufe im Verborgene­n ab, so der Experte.

Es ist eine Welt für sich, berichtet Bastian Melcher. „Sie meinen es gut, bieten Hilfe an, aber verstehen nicht, was sie damit auslösen.“Was ihn davon wegbrachte: Die Liebe. Er lernte einen Mann kennen, überwand seine Zerrissenh­eit und stieg aus der Freikirche aus. Der Ratschlag seines Pfarrers, doch zölibatär zu leben, bekräftigt­e ihn, eine Entscheidu­ng zu treffen: „Ich bin schwul und lebe jetzt so.“

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