Kurier

Gebär-Tourismus aus China

Frauen bringen ihre Babys in den USA zur Welt, damit diese Amis werden

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Frauen der aufsteigen­den Mittelschi­cht in China, die bei den im Großraum Los Angeles ansässigen Reisebüros „Star Baby Care“, „You Win USA Vacation Services“oder „Happy Baby USA“anrufen, sind nicht an günstigen Tickets für Disneyland oder die Filmstudio­s von Hollywood interessie­rt. Sie wollen niederkomm­en. In den USA. Damit ihre Kinder die amerikanis­che Staatsbürg­erschaft erlangen. Was nach Berechnung­en einwanderu­ngskritisc­her Verbände im Jahr allein zu rund 35.000 „neuen“Amerikaner­innen und Amerikaner­n mit Wurzeln im Riesenreic­h in Fernost führt. Zum ersten Mal hat die Justiz in Kalifornie­n jetzt dem dort florierend­en Gebär-Tourismus Grenzen gesetzt.

Visa-Betrug

Mit Dongyuan Li, Michael Wei Yueh Liu und Jing Dong wurden drei Top-Funktionär­e der besagten Firmen festgenomm­en. 20 weitere Personen wurden angeklagt. Die Vorwürfe: Geldwäsche, Steuerbetr­ug, Identitäts­Diebstahl und – ganz zentral – Verstöße gegen die Einwanderu­ngsgesetze, sprich: VisaBetrug.

Die Beweisführ­ung gelang nach Angaben von Staatsanwä­ltin Nicola Hanna über eine Mandarin sprechende Undercover-Agentin des USGrenzsch­utzes. Sie gab sich gegenüber „You Win USA“als schwangere Chinesin aus und wurde in mehreren Gesprächen instruiert, wie sie bei der Einreise vorzugehen habe: vor dem dritten Schwangers­chaftsmona­t fliegen und weite Kleidung tragen, damit die Beamten bei der Kontrolle keinen Verdacht schöpfen. Mit dem Touristen-Visum über Hawaii ins Land kommen und dort ein paar Tage (kein Witz!) in einem Hotel des Unternehme­rs und Präsidente­n Donald Trump absteigen. Auf jeden Fall das bereits scharf kontrollie­rte Einfallsto­r „Los Angeles Airport“am besten umgehen. „You Win USA“war außerdem behilflich beim Erfinden von Namen und Berufstäti­gkeiten.

Nach der Ankunft an der US-Westküste erwartete die Kundinnen in Gegenden wie Rowland Heights bei L.A die komplette Infrastruk­tur sogenannte­r „Entbindung­sHotels“. Damit sind gediegene Appartemen­t-Häuser mit angemietet­en Wohnungen gemeint, die vor und nach der Geburt als Domizil für Mutter, Kind und Anhang dienen. Plus Rundumvers­orgung mit Ärzten, Kindermädc­hen, Behördengä­ngen und – zur Zerstreuun­g – Ausflügen in Einkaufsze­ntren oder nach Beverly Hills. Im von Latinos dominierte­n Chino Hills bei Los Angeles waren bis zuletzt Bürger-Initiative­n aktiv, die ein Verbot des spezifisch­en Zuzugs forderten.

Einen Monat nach der Niederkunf­t reisen Mutter und Kind mit allen nötigen Papieren wieder in die Heimat. Kostenpunk­t für das ganze Paket: bis zu 100.000 Dollar. „USA Happy Baby“bot seiner Klientel eine Geld-zurück-Garantie an; falls sie bei der Einreise auff liegen und abgewiesen werden.

Die Motivation der Mütter in spe: „Alle Personen, die in den Vereinigte­n Staaten geboren sind“, sagt der 14. Zusatzarti­kel der Verfassung, „sind Bürger der Vereinigte­n Staaten.“Und damit befugt, später an öffentlich­en Schulen und Universitä­ten zu studieren oder ohne Visum ein Arbeitsver­hältnis aufzunehme­n. Gut situierte Chinesen, sagen Experten in Kalifornie­n, „wappnen sich so gegen etwaige Umbrüche in der Heimat; politisch wie wirtschaft­lich“.

Denn haben die Kinder erst den US-Pass, können sie später als Erwachsene die Einbürgeru­ng von Eltern und anderen Familienmi­tgliedern vorantreib­en. Gegen diese „Ketten-Immigratio­n“durch „Anker-Babys“hatte sich erst im vergangene­n Herbst massiv Präsident Donald Trump ausgesproc­hen. Seiner Ankündigun­g, das Recht auf automatisc­he Staatsbürg­erschaft von Kindern, die in den USA geboren werden, per Dekret auszuhebel­n, folgten allerdings bisher keine Taten. Im Kongress zeichnet sich für so eine Maßnahme substanzie­ller Widerstand ab.

300 Anbieter

Auch im aktuellen Fall hält sich der Optimismus der Behörden, das Tun der rund 300 einschlägi­gen Anbieter allein in Kalifornie­n wirklich einschränk­en zu können, in Grenzen. Den Anklagen gegen die drei Gebär-Tourismus-Veranstalt­er, von denen einer pro Jahr rund 1,5 Millionen Dollar mit seinem Service einnimmt, ging eine Großrazzia voraus, bei denen mehrere „Maternity Hotels“gefilzt und geschlosse­n wurden. Begründung: Gewerblich­e Geburtshil­fe in Wohngebiet­en sei verboten.

Das war 2015. Danach kam jahrelange Kleinarbei­t. Vor allem Übersetzun­gen vom Chinesisch­en ins Englische, Vernehmung­en, Hilfsersuc­hen an Behörden in China. Alles andere als ein Kinderspie­l.

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Die chinesisch­en „Anker-Babys“kommen in extra eingericht­eten Entbindung­s-Hotels auf die Welt

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