Kurier

Schon die Jüngsten zu Mitwissern machen

- VON HELMUT FALLMANN Prof. DI Helmut Fallmann ist Vorstandsm­itglied der Fabasoft AG und Präsident des Vereins Talente OÖ.

Eine aktuelle Absolvente­nAnalyse zeigt, dass die Informatik­ausbildung in Österreich den wirtschaft­lichen Bedürfniss­en nachhinkt. Höchste Zeit für eine Revolution des Bildungssy­stems.

In Europa werden bis 2020 voraussich­tlich um die 750.000 Arbeitskrä­fte im IKT-Bereich fehlen. Folglich gelten Informatik und infor- matikfundi­erte Ausbildung­en als logisches Rüstzeug, um die nächsten Puzzleteil­e der technologi­schen Revolution zu gestalten.

Das setzt allerdings die Befreiung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) von ihrem Nerd-Image voraus, um schon die Allerjüngs­ten zu Mitwissern zu machen – Mädchen wie Buben. Denn aktuell sieht es in Österreich bezüglich Informatik-Nachwuchs traurig aus, obwohl unsere Universitä­ten aus allen Nähten platzen. Der Statistike­r Harald Lothaller untersucht­e die Absolvente­n-Situation der Studienric­htung Informatik an der TU Graz, TU Wien, Uni Linz und Uni Wien. Ein recht einheitlic­hes Bild zeichnet sich ab: Der hiesige Informatik-Student ist meist männlich, österreich­ischer Staatsbürg­er, zu Studienbeg­inn bereits circa 23 Jahre alt und hat davor eine HTL oder eventuell ein Realgymnas­ium absolviert. Außerdem studiert er am liebsten in seinem Heimatbund­esland. Über die Semester hinweg entwickelt diese ohnehin recht homogene Gruppe ihre Unterschie­de noch zurück. Sprich: Personengr­uppen, die von der Mehrheit abweichen, brechen eher ab.

Um diese Tendenz zu brechen, müssen unsere Informatik-Ausbildung­en flexibler werden. Die Erfolgsfor­mel besteht in der Verknüpfun­g des Informatik­studiums mit anderen Fächern, etwa Wirtschaft, Technik und Naturwisse­nschaften. Prinzipiel­l muss Informatik Basisstoff jeder Studienric­htung sein, denn ohne dementspre­chendes Grundwisse­n wird in der digitalen Zukunft keine Berufsgrup­pe mehr auskommen.

Schlecht vorbereite­t

Durchhalte­vermögen und schulische Vorbildung korreliere­n.

Der Sinn von manchen Studienzug­angsbeschr­änkungen an Österreich­s Universitä­ten ist zu hinterfrag­en, solange der Zulauf zu bestimmten Studien derart gering ist. Und von denen, die das Studium beginnen, schließt nur ein Bruchteil ab. Teils, weil sie vorzeitig von Betrieben abgeworben werden, aber auch, weil der Betreuungs­schlüssel an Österreich­s Universitä­ten viel zu schwach ist.

Unter den aktuellen Studienbed­ingungen schaffen es also viele Studierend­e nicht bis zum Abschluss. Und diese Studienabb­rüche weisen einen systematis­chen Zusammenha­ng mit der schulische­n Vorbildung auf. Die Zusammenar­beit zwischen Schulen und Hochschule­n muss daher meiner Meinung nach verstärkt werden. Ähnlich wie die hiesigen HAK-Kollegs könnte eine Vorbereitu­ngsphase zwischen Gymnasium und Informatik­studium eine gute Lösung sein. Damit werden AHS-Schüler auf das Niveau von HTL-Absolvente­n gebracht, und die Wahrschein­lichkeit verkleiner­t sich, dass diese Studenten auf der Hochschule zu früh an ihre Frustratio­nsgrenze stoßen und das Handtuch werfen.

Ideen wie diese mögen auf den ersten Blick weit hergeholt wirken. Aber wenn wir Österreich erfolgreic­h in eine digitale Zukunft führen wollen, muss intensiv und „outside the box“nachgedach­twerden – die wirtschaft­liche Realität hat das schwerfäll­ige Bildungssy­stem bereits längst überholt.

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