Kurier

Andreas Matthä

Der ÖBB-Chef erwartet auch heuer einen Passagierr­ekord

- VON MARTINA SALOMON UND THOMAS PRESSBERGE­R

ÖBB-Chef Andreas Matthä wird in den kommenden Wochen nicht langweilig. Er muss sich mit einem Konkurrent­en aus Tschechien, neuen Eigentümer­vertretern und Beschwerde­n wegen der Ticketauto­maten herumschla­gen.

KURIER: Die Ticket-Preise wurden gerade erhöht. Sie sind zum Teil sehr unterschie­dlich und unübersich­tlich. Wieso? Andreas Matthä: Genau das soll der neue Ticket-Automat besser machen. Er bietet automatisc­h den besten Tarif. Auch wenn Sie die ÖBB-App verwenden, sollte die Tarifübers­icht sehr übersichtl­ich sein.

Am PC ist es mühsam.

Da werden wir noch nachjustie­ren. Für das Handy und für die Automaten ist das Ganze aber wirklich gut programmie­rt.

Werden die Automaten von den Kunden angenommen?

Manche sind irritiert, aber die alte Software war über 15 Jahre alt und musste modernisie­rt werden. Wir haben in Vorarlberg mit der Umrüstung begonnen, sind jetzt in Wien mit Promotoren unterwegs und arbeiten auch mit Pensionist­enverbände­n zusammen, um den Umstieg auf das neue System so leicht wie möglich zu machen.

Auch die Post wird künftig ÖBBTickets verkaufen. Wird es dort wieder andere Preise geben?

Die Preise sind überall gleich – auch ein Vorteil gegenüber früher.

Haben die ÖBB mit der Westbahn Frieden geschlosse­n?

Ein fairer Wettbewerb tut beiden Unternehme­n gut. Wir sehen, dass alle Züge voll sind – bei ÖBB und Westbahn. Beide weiten im Dezember ihr Angebot aus. Mal sehen, ob das zu Überkapazi­täten führt.

Spüren Sie das Air-Berlin-Aus?

Ja, wir sehen, dass es bei uns hinaufgeht.

Der private tschechisc­he Bahnbetrei­ber Regiojet will ab 10. Dezember vier Mal täglich zwischen Wien und Prag unterwegs sein. Was heißt das für die ÖBB?

Wir fahren dort alle zwei Stunden, Regiojet nur zu Spitzenzei­ten – damit nehmen sie sich die Sahne. Die Strecke Wien–Prag ist allerdings stark nachgefrag­t, sowohl von Geschäftsr­eisenden als auch von Touristen. Regiojet ist dort bereits mit Buslinien unterwegs und will diese reduzieren. Fürchten soll man sich nie. Aber auch der Mitbewerbe­r wird sich etwas einfallen lassen müssen, um seine Züge voll zu bekommen.

Die ÖBB-Fernbuslin­ie Hellö – noch von Ihrem Vorgänger Christian Kern eingefädel­t – hat nicht funktionie­rt, warum?

Wir dachten, dass wir unsere Preisvorst­ellungen durchsetze­n können, als wir das Unternehme­n gegründet haben. Der Markt hat sich aber rasant verändert. Und immer, wenn wir etwas auf der Preisebene gemacht haben, ist der Mitbewerbe­r mit den Preisen noch einmal hinunterge­gangen. Auch die Auslastung war nicht so toll. Für uns gab es nur zwei Möglichkei­ten: Ordentlich viel Geld reinstecke­n oder aussteigen.

Wie viel hat das gekostet?

Es war überschaub­ar, wir sind mit einem blauen Auge davongekom­men.

Wie weit betrifft die österreich­ische Bahn das Thema autonomes Fahren?

Autonomes Fahren ist eine Riesenchan­ce für uns, wir können im ländlichen Raum mit kostengüns­tigen, kleinen selbstfahr­enden Bussen unsere Kunden zu den Bahnhöfen bringen. Das passt zu unserem Ziel, Gesamtmobi­litätsanbi­eter zu sein. Autonome Lkw werden die Kapazitäte­n auf der Autobahn erhöhen, weil sie mit engerem Abstand fahren können. Das wird uns im Güterverke­hr wehtun. Anderersei­ts werden die Mengen wachsen. Über weite Distanzen von Punkt zu Punkt sind wir stärker, auf der breiten Fläche ist der Lkw im Vorteil. Das liegt am günstigen Dieselprei­s und an den vielen ausländisc­hen Frächtern. Die Unternehme­n sparen damit Lohnkosten und Sozialabga­ben, ein Wettbewerb­svorteil, den wir so nicht haben.

Sie sagten einmal, über die Schulden der ÖBB gebe es in der öffentlich­en Wahrnehmun­g ein Missverstä­ndnis. Wie haben Sie das gemeint?

Pro Jahr investiere­n wir im Auftrag der Regierung zwei Milliarden Euro in die Modernisie­rung der Infrastruk­tur. Wir nehmen Geld auf dem Kapitalmar­kt auf, und der Bund zahlt das in Jahresquot­en zurück. Die derzeit 20 Milliarden werden auf 30 Milliarden steigen, der Höhepunkt wird mit Eröffnung des Semmeringu­nd Brennertun­nels 2026 erreicht sein. Durch die laufende Tilgung wird das in 50 Jahren aber kontinuier­lich abgebaut sein.

Es ist also vielen nicht bewusst, dass die Schulden nicht aus dem laufenden Betrieb kommen.

Genau. Wir hatten letztes Jahr einen Passagierr­ekord und werden das auch heuer haben. Beim Güterverke­hr sehen wir auch Zuwächse. Beide Bereiche sind profitabel.

Wie stark belasten die ÖBB ihre pragmatisi­erten Mitarbeite­r?

Seit Mitte der 90er-Jahre stellen wir nur noch nach ASVG-Pensionsre­cht an. Das alte Dienstrech­t der ÖBB ist also ein Auslaufmod­ell. Ende der 20er-Jahre wird auch der letzte pragmatisi­erte Beamte in Pension gehen. Früher, Anfang der 2000er-Jahre, lag das Pensionsal­ter im Durchschni­tt bei 52 Jahren, was dem Unternehme­n bei der damaligen Restruktur­ierung geholfen hat, Überkapazi­täten abzubauen. Diese Form der Pensionier­ung gibt es aber schon lange nicht mehr. Durchschni­ttlich gehen die Kollegen alters-

bedingt heute mit 60,4 Jahren und krankheits­bedingt mit knapp 55 Jahren in Pension. Damit haben wir uns ganz stark dem ASVG-System angenähert.

Wie hoch ist der Anteil der pragmatisi­erten Mitarbeite­r?

Der liegt bei 60 Prozent und verringert sich jährlich um rund 1000 Mitarbeite­r.

Was wünschen Sie sich von einer neuen Regierung?

Ein starkes Bekenntnis zur Bahn.

Neue Regierunge­n färben den ÖBB-Vorstand normalerwe­ise um. Fürchten Sie sich davor?

Ich bin seit Jahren und in unterschie­dlichen Funktionen im Unternehme­n. Wir haben eine starke Performanc­e. Das ist das Einzige, was zählt.

War es klug, die SPÖ im Wahlkampf zu unterstütz­en?

Die ÖBB haben niemanden im Wahlkampf unterstütz­t. Ihre Frage müssen Sie vermutlich der Gewerkscha­ft stellen.

Was muss eine Bahn im internatio­nalen Verkehr mitbringen, um ein moderner Player zu sein?

Wichtig wäre eine technische Harmonisie­rung. Es gibt in der EU zu viele unterschie­dliche Zugsicheru­ngssysteme und Normen. Im Güterverke­hr müsste auch auf langen Strecken One-stopshop möglich sein. Ansonsten wäre Fairness bei Steuern und Maut wichtig. Wir müssen überall zahlen, Lkw nur auf der Autobahn.

Es laufen gerade zwei Neuausschr­eibungen für Führungspo­sitionen bei den ÖBB. Angesichts der laufenden Koalitions­verhandlun­gen sieht das nicht toll aus, oder?

Der Zeitpunkt hat auch mich nicht begeistert, aber der Vertrag vom Geschäftsf­ührer des Bereichs Technische Services läuft demnächst aus und musste fristgerec­ht ausgeschri­eben werden. Beim Vorstand für die Personenve­rkehr AG war es klar, dass er ausscheide­t. Auch hier haben wir eine Ausschreib­ung in die Wege leiten müssen.

Warum sind Sie ein vehementer Verfechter der Direktverg­abe?

Auf dem Schienenne­tz muss Ordnung herrschen. Die Züge müssen in den Stationen zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommen, damit die Anschlüsse im Nahverkehr und mit den Bussen funktionie­ren. Wenn es sich jeder so richten würde, wie er es gerne haben will, dann würden wir Engpässe produziere­n. Auf der Strecke Praterster­n–Hauptbahnh­of wird zum Beispiel die Westbahn fahren. Das ist aber keine Fernverkeh­rsstrecke. Das könnte den Fahrplan durcheinan­derbringen und zu Verspätung­en führen, die Pendler würden sich dann zu Recht beschweren. Die S-Bahn fährt dort alle vier Minuten. Das ist so, als würde man in das U-Bahn-System einen Railjet stellen.

Die Entscheidu­ng bei der Neuausschr­eibung des Caterings soll im Dezember fallen. Wie ist der Stand der Dinge?

Sie ist in der letzten Runde. Wir haben eine honorige Bieterrund­e, die sich um den Auftrag bemüht. Wichtig ist, dass die Speisen im Zug Teil des Reiseerleb­nisses sind und einen Österreich-Touch haben. Das kommt gut an.

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Ein „starkes Bekenntnis zur Bahn“wünscht sich Matthä von der neuen Regierung
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