Kurier

Kern wehrt sich gegen Gratisblat­t

Medien und Politik. Ex-Kanzler Gusenbauer klagt Gratis-Blatt, Kanzler Kern streicht Wahl-Inserate.

- VON CHRISTIAN BÖHMER – MICHAEL BACHNER

Keine Interviews mehr, keine Wahl-Inserate – die Replik des Kanzlers auf Zeitungska­mpagne

Es war, das kann man bei aller Zurückhalt­ung sagen, eine Kampagne: Über Tage hinweg hievte die Tageszeitu­ng Österreich ein Strategie-Papier eines SPÖ-Beraters ins Blatt, in dem genüsslich über die Schwächen des SPÖ-Kandidaten referiert wurde.

Christian Kern sei eitel; er reagiere auf Kritik mimosenhaf­t; und weil der SPÖChef im kolportier­ten SPÖPapier mitunter als „Prinzessin“beschriebe­n wurde, verunglimp­fte die Zeitung den Kanzler zuletzt in dieser Pose: mit Tüll und Schminke, als Prinzessin eben.

Vergangene Woche zog Christian Kern eine erste Konsequenz: Er strich – durchaus kurzfristi­g – einen Interview-Termin mit dem Blatt. „Habt’s mich gern“, lautete seine Botschaft.

An der Kampagne, wie sie Kern selbst nennt, änderte das wenig. Während Medien wie der KURIER das ominöse Papier journalist­isch bewertetet und in entspreche­nder Größe berichtet haben, setzte Österreich eins drauf und hievte den Kanzler einmal mehr aufs Titelblatt.

Die Reaktion folgte Montagaben­d: Die Sozialdemo­kraten wollen ab sofort keine Wahlkampf-Inserate mehr in Österreich veröffentl­ichen; kolportier­te 50.000 Euro Auftragsvo­lumen wurden gestrichen – ein in dieser Deutlichke­it bislang nie dagewesene­r Schritt.

Grenzen überschrit­ten

„Da wurden mehrfach Grenzen überschrit­ten“, sagte Kern. Er müsse leider zur Kenntnis nehmen, dass man „dort“, also in der Zeitung, so arbeite. „Aber hier geht es nicht um kritische Berichter- stattung, sondern um einen Angriff auf die politische Kultur im Land.“Und über ein solches Medium wolle er, Kern, eben nicht mit den Menschen kommunizie­ren.

Kerns Vorgänger Alfred Gusenbauer ging am Dienstag noch einen Schritt weiter: Er klagte das Blatt, weil „sämtliche Behauptung­en“über ihn in der jüngsten Berichters­tattung schlichtwe­g unwahr seien.

Soviel zur Reaktion der Roten.

Helfen wird der Boykott der SPÖ wohl kaum. „Das strategisc­he Dilemma besteht darin, dass mit diesem Boykott nun einmal mehr über eine Besonderhe­it der SPÖ-Wahlkampfe­s berichtet wird, und die Themen und Botschafte­n der SPÖ wieder in den Hintergrun­d geraten“, analysiert Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier.

Das sieht auch Kern selbst eher nüchtern: Der Boykott werde eher Nachteile haben. „Die Kampagne wird vielleicht jetzt noch wütender geführt“, prophezeit­e der SPÖ-Chef am Dienstag. An seiner persönlich­en Haltung ändere das aber nichts.

Freie Entscheidu­ng

Ist es legitim, wenn ein Parteichef nach einer derartigen Kampagne Inserate streicht?

„Ja“, antwortet Franz Fiedler, ehemaliger Rechnungsh­ofpräsiden­t.

So lange es sich um ParteiWerb­ung handle, müsse und dürfe „jede Partei frei ent- scheiden, wo sie werben möchte“. Fiedler: „Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass wahlwerben­de Parteien ihre Werbung nicht in Medien platzieren, die ihren Interessen widersprec­hen.“

Bei Inseraten von Ministerie­n würden andere, strengere Regeln gelten – hier könne ein Kanzler nicht einfach streichen, was ihm passt.

Der auf Parteien-Finanzieru­ng spezialisi­erte Politikwis­senschafte­r Hubert Sickinger rät diesbezügl­ich zu neuen gesetzlich­en Regelungen. Deutschlan­d sei ein mögliches Vorbild.

Doch eine Frage stellt sich ob des Kern-Boykotts ganz generell: Kann man gegen den Boulevard oder ein weit verbreitet­es Medium Politik machen?

„Natürlich kann man das“, sagt Politikwis­senschafte­r Filzmaier. „Das aktuellste Beispiel ist Donald Trump. Er wurde schon im Wahlkampf von 90 Prozent der Kommentato­ren abgelehnt – und hat die Wahl dennoch gewonnen.“

„Es ist normal, dass Parteien nicht in Medien werben, die ihren Interessen widersprec­hen.“ Franz Fiedler Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t

 ??  ?? Kern lässt sich nicht mehr alles gefallen: Via Facebook ließ der SPÖChef wissen, dass er einem Gratisblat­t kein Geld mehr überweisen will. „Ich halte mich nicht für etwas Besseres. Aber nur, weil ich bei einer Wahl kandidiere, heißt das noch lange...
Kern lässt sich nicht mehr alles gefallen: Via Facebook ließ der SPÖChef wissen, dass er einem Gratisblat­t kein Geld mehr überweisen will. „Ich halte mich nicht für etwas Besseres. Aber nur, weil ich bei einer Wahl kandidiere, heißt das noch lange...
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