Kurier

„Die ersten Wochen fast nur geweint“

Erfahrung I. Eine junge Mutter spricht über schlaflose Nächte, falsche Ideale und wie wichtig es ist, Hilfe zu suchen

- VON (der KURIER berichtete gestern).

Die ersten Monate mit einem Kind sind für viele Eltern oft ein Grenzgang Daran erinnert sich die Wienerin Viktoria Traxler (32) im KURIERGesp­räch. Ihre Tochter Elisabeth Marie ist jetzt zwei Jahre alt. KURIER: Sie fühlten sich vom Muttersein anfangs überforder­t – wie äußerte sich das? Viktoria Traxler: Nichts und niemand bereitet einen auf die enorme Verantwort­ung vor. Zum Glück hatte ich einen Partner, der viel geholfen hat. Ich war am Anfang überforder­t mit so ziemlich allem. Was den Haushalt betrifft, das Bekleiden meiner Tochter oder das Baden. Auch das Stillen war sehr anstrengen­d, da sie alle drei Stunden trinken wollte, das dauerte dann bis zu zwei Stunden. Ich hatte von einem Tag auf den anderen keine Zeit mehr für mich. Welche Rolle spielte Schreien?

Eine große. Ich kann mich an Situatione­n erinnern, als meine Tochter jeden Abend fast drei Stunden durchgesch­rien hat, egal, wie man sie gehalten, was man gesungen oder wie man versucht hat, sie zu beruhigen. Oft war ich so verzweifel­t, dass ich mitgeweint habe, weil ich nicht weiter wusste. Was hat noch zu Überlastun­g geführt?

Ich habe per Kaiserschn­itt entbunden und konnte kaum schlafen, weil meine Tochter all meine Aufmerksam­keit brauchte. Man macht das natürlich gerne, aber geht sehr bald nach so wenig Schlaf – und der ist sehr essenziell – an seine Grenzen. Man liebt sein Kind über alles, wünscht ihm das Beste und versucht selbst, das Beste zu geben. Auch die enorme Lebensumst­ellung vom „wertvollen Mitglied der Gesellscha­ft“, das arbeitet und ein geselliges Leben führt, auf Hausfrau und Mutter, ist schwierig. Man bleibt, zumindest anfangs, völlig auf der Strecke. Wann haben Sie gespürt, dass Sie Hilfe brauchen?

Ich war schon öfter in der Kinderambu­lanz in der Rudolfstif­tung, weil ich anfangs unsicher war, ob nicht doch etwas nicht stimmt. Zuletzt war ich dort, als meine Tochter im Hochsommer mit drei Mona- ten fünf Mal hintereina­nder massiven Durchfall hatte. Ich war panisch, dachte, sie trocknet aus und bin mit ihr in die Kinderambu­lanz gegangen. Dort hat man mir gesagt, dass es bei Stillkinde­rn normal ist und mir die Säuglingsb­eratung nahegelegt. Ich war begeistert. Wir haben dort offen über alles gesprochen, und ich habe viel gelernt. Was raten Sie werdenden Müttern aus heutiger Sicht?

Nichts in sich hineinzufr­essen! Man muss über seine Gefühle reden. Ich habe die ersten drei Wochen fast nur geweint, und ich glaube, es geht vielen so, aber keine möchte das Bild von der frisch gebackenen Mutter sehen, die depressiv herum liegt. Uns wird in jeder Werbung das Bild des perfekten Babys und von Müttern in weißen Gewändern vermittelt – absurd. Jeder sollte sich Hilfe suchen, wenn er sie braucht, das sollte kein Tabu sein. Wie geht es Ihnen jetzt?

Elisabeth Marie schläft seit einigen Wochen durch, besucht den Kindergart­en und unser Zusammenle­ben funktionie­rt einwandfre­i.

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