Wem gehört Kohls Vermächtnis?
Erbe des Altkanzlers. Erstmals europäischer Staatsakt für Politiker – um Nachlass bahnt sich Streit mit Witwe an
Dass Helmut Kohl eine außergewöhnliche Persönlichkeit war, steht außer Frage. „Wir Deutschen verdanken ihm viel“, schrieb Kanzlerin Merkel, einst sein „Mädchen“, später die Frau, die seine Demontage einleiten sollte, am Sonntag ins Kondolenzbuch; der Altkanzler war amFreitag 87-jährig verstorben.
Schwieriger ist jedoch die Frage, wie mit seinem Vermächtnis umzugehen ist. 400 Aktenordner umfasst die Sammlung des Altkanzlers, die derzeit in dessen Haus in Oggersheim lagert – Strategiepapiere, Notizen und Briefe internationaler Staatsmänner, die ein durchaus in- teressantes Licht auf den Verstorbenen werfen könnten.
Ob das Material von öffentlichem Wert ist, ist allerdings strittig. Kohls zweite Frau Maike, der keine Witwenpension zusteht, weil Kohl zum Zeitpunkt der Eheschließung schon in Pension war, war schon zu Lebzeiten ihres Mannes erpicht darauf, die Deutungshoheit über dessen Bild zu behalten – der Streit mit dessen Biograf Heribert Schwan, der mit dem Abdruck unautorisierter Zitate und der Schadenersatzzahlung von einer Million Euro endete, sind gut in Erinnerung.
An ihrer Haltung scheint sich kaum etwas geändert zu haben. Dass die 54-Jährige vor einiger Zeit in einem Interview sagte, dass sie „die alleinige Entscheidungsbefugnis über seinen historischen Nachlass haben sollte“, sorgt darum in der CDU für Unruhe; die Partei hätte den Nachlass gerne für sich. Kultur- staatsministerin Monika Grütters preschte nun mit der Idee vor, den Nachlass in eine Stiftung zu überführen, auch bei Schmidt, Brandt und Adenauer war dies der Fall.
Das klingt wie ein Angebot an Maike Kohl-Richter. Die Stiftung wäre zu 100 Prozent staatlich finanziert, sie hätte zudem einen Platz in einem Kuratorium, das die Stiftung lenkt. Anders als etwa bei Kohls Vorgängern soll die Stiftung nicht in dessen Heimatort ihren Sitz haben, sondern „eine Adresse in Berlin haben“, so Grütters im Spiegel.
Sehnsuchtsort
Deutlich mehr Konsens herrscht bei der Frage des Begräbnisses. Da Kohl selbst ei- nen nationalen Staatsakt ablehnte, wird er als erste Person in der Geschichte der EU mit einem europäischen Staatsakt geehrt.
Die Trauerfeier wird zunächst in Straßburg abgehalten, dann bringt ihn ein Schiff über den Rhein zum Dom zu Speyer. Für ihn ein „Sehnsuchtsort“, den er vielen Staatsgästen zeigte, und wo er als Kanzler verabschiedet wurde. Auch die Trauerfeier für seine erste Frau Hannelore, mit der er 41 Jahre verheiratet war, fand dort statt. Wann seine folgen wird, ist noch nicht klar – hier wird die Familie jedoch nicht viel mitreden können: Die Terminwahl hängt nämlich von Angela Merkels Kalender ab.