Kurier

„An Gabriel führt kein Weg vorbei“

In der SPD stehen bei der Kanzler-Kandidatur alle Zeichen auf Sigmar Gabriel. Er soll nach einer OP schlanker und mit einem Kulturkamp­fProgramm antreten.

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

„Ich weiß gar nicht, wer überhaupt auf die Idee gekommen ist, dass wir über Personal reden“, sagt Sigmar Gabriel am Dienstag in Düsseldorf. Ein Schelm, wer Böses denkt: Dass der SPD-Chef mit seinem engsten Kreis „nur“über Wahlkampfi­nhalte berät und nicht über die Frage, wer als Spitzenkan­didat ins Rennen geht, glaubt heute niemand mehr. Vielmehr stehen alle die Zeichen auf Gabriel: Kaum ein politische­r Beobachter zweifelt mehr daran, dass der 57-Jährige sich als Kanzlerkan­didat aufstellen lässt.

„An Gabriel führt kein Weg mehr vorbei“, heißt es auch aus der SPD. Denn was der Parteichef in den vergangene­n Wochen nach außen dringen ließ, hat Methode: Dass der Vizekanzle­r sich vor Weihnachte­n abseits der Öffentlich­keit einer MagenVerkl­einerung unterzog (sie

he rechts), wird als erster Schritt Richtung Kandidatur angesehen. Gabriel, der seit Langem an Diabetes leidet, will so seine Krankheit in den Griff bekommen – und auch sein Gewicht reduzieren. Dass er die OP aus den Medien hielt und hält, gilt als weiteres Indiz seiner Kan- didatur; der 57-Jährige hätte sie schließlic­h leicht als Grund verwenden können, um einem Konkurrent­en den Vortritt zu lassen, ohne das Gesicht zu verlieren.

„Kulturkamp­f“

Dass er das nicht vorhat, war auch an den vielen Auftritten nach Silvester abzulesen. Da war Gabriel plötzlich wieder omnipräsen­t – und präsentier­te sich als Hardliner, als Gegenentwu­rf zu Angela Merkel gewisserma­ßen. In einem Spiegel- Interview rief er etwa den „Kulturkamp­f “gegen den Islamismus aus, forderte, salafistis­che Gemeinden aufzulösen und ihre Prediger auszuweise­n. Es scheint, als wolle Gabriel sei- ner Konkurrent­in nicht nur das Thema Sicherheit streitig machen, sondern auch die Deutungsho­heit in der Wertedebat­te an sich reißen, die seit dem Anschlag von Berlin wieder heftig geführt wird. An der juristisch­en Front hat er dafür Justizmini­ster Heiko Maas, seinen politische­n Ziehsohn, ins Rennen geschickt. Er verhandelt derzeit mit Innenminis­ter de Maizière Verschärfu­ngen im Umgang mit Gefährdern.

„Null Toleranz“lautet die Vorgabe Gabriels dabei. Damit zielt er auf die umkämpftes­te Gruppe der anstehende­n Wahl: Jene Bürger, die sich von Merkels Asylpoliti­k abgeschrec­kt fühlen und ihr Kreuz bei der AfD machen könnten. Nicht umsonst hat Gabriel auch bei allen anderen Schwerpunk­ten den „kleinen Mann“im Blick; jenen Wähler, den die SPD, so ein oft vorgebrach­ter Vorwurf, seit der Hartz-Reform aus den Augen verloren hat. Dass gerade Gerhard Schröder, der Vater eben jener Reform, größter parteiinte­rner Unterstütz­er Gabriels ist, ist deshalb fast ironisch: Für ihn ist Gabriel „ein demokratis­cher Populist“– ein politische­s Kaliber von ähnlichem Schlag wie er selbst.

In der SPD hört man seit Kurzem wieder auf den einst geschasste­n Ex-Kanzler. Das liegt auch am Wunsch, Ergebnisse à la Schröder zu erreichen. Angesichts der aktuel- len 21 Prozent, bei denen die SPD dahindümpe­lt, wirken die 34 Prozent, die Schröder 2005 erreichte, schließlic­h geradezu traumhaft.

Ob Gabriel solche Werte auch schaffen kann, daran zweifeln aber viele – allen voran Juso-Chefin Johanna Uekermann und Gewerkscha­fterin Susi Neumann. „Wenn die SPD wieder eine Arbeitnehm­erpartei werden soll, wäre es der falsche Zug, wenn er kandidiere­n würde“, sagte Neumann jetzt.

Schulz hält sich zurück

Beide hätten gerne eine Urwahl gesehen – und wohl für Martin Schulz gestimmt. Der scheidende Präsident des EUParlamen­ts wäre für viele aus dem linken Flügel die bessere Wahl, er hat auch die besseren Beliebthei­ts-Werte. Allein, er hat sich zuletzt höchst zurückhalt­end gezeigt; und auch in der Partei wird davon gesprochen, dass er am besten im Außenamt aufgehoben wäre.

Beim Treffen am Dienstag war er dann auch nicht dabei – eine Kampfansag­e von Schulz an seinen Freund Gabriel wird es wohl nicht mehr geben. Der Einzige, der Sigmar Gabriels Antreten noch verhindern kann, ist somit Gabriel selbst.

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Seit Langem befreundet: Gabriel und Konkurrent Martin Schulz

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