Kurier

Wenn die Luft dicker als in Peking ist, oder: Kohle, Kohle über alles

Luftversch­mutzung. Die meisten Smog-Städte Europas liegen in Polen. Dennoch will die Regierung Windkraft zurückfahr­en und Kohle ausbauen

- – ANDREAS SCHWARZ

Es herrscht dicke Luft in Polen. Nein, diesmal ist nicht die Politik der rechts-nationalen Regierungs­partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PIS) gemeint, und wenn, dann nur im Zusammenha­ng mit der wirklich dicken Luft, nämlich der in der Luft: Im polnischen Städtchen Skala zum Beispiel lag die Luftversch­mutzung kürzlich mit 979 Mikrogramm Giften und Ähnlichem pro Kubikmeter höher als in Peking (737), das gemeinhin als Dreckschle­uder der Welt gilt. Und damit 20-mal höher, als EU-Limits es eigentlich erlauben würden.

Oder, wie die Financial Times es noch drastische­r in (Greenpeace-)Zahlen goss: 33 der 50 luftversch­mutztesten Städte in Europa liegen in Polen. Krakau ist die drittschmu­tzigste europäisch­e Stadt, nur in Pernik und Plovdiv in Bulgarien atmet man noch ungesünder. In Warschau waren kürzlich die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel kostenlos, weil giftiger Smog drohte – die Warschauer fuhren trotzdem mit dem Auto. Kurzum: Wenn auf dem europäisch­en Kontinent ein Land Hauptstadt des Smog wäre, dann wäre das zweifelsfr­ei Polen.

In der Luft liegt vor allem das krebsauslö­sende Benzopyren, das durch Kohleverbr­ennung entsteht. Und das ist auch schon die Hauptursa- che der schlechten polnischen Luftqualit­ät: 90 Prozent der Energie in Polen wird nach wie vor durch Schwarz- oder Braunkohle gespeist. Die meiste davon wird im eigenen Land abgebaut. Rund 40 Prozent der Polen entsorgen ihren Müll durch den Kamin, fast 50 Prozent heizen Haus und Wohnung mit Kohle.

900 Mio. Euro Strafe?

Die EU-Kommission hat im vergangene­n Sommer eine Klage beim EU-Gerichtsho­f gegen Polen beschlosse­n, weil in 46 beobachtet­en polnischen Gebieten gegen Regeln zu schädliche­m Feinstaub verstoßen worden sei – es droht eine Strafe von bis zu 900 Millionen Euro.

Die polnische Regierung, und jetzt sind wir dann doch bei der PIS, ficht das nicht an. Die Kohleindus­trie, die in Po- len mehr als 100.000 Menschen beschäftig­t, ist mächtig, von ihrem und ihrer Lobby Wohlwollen sind Regierende in Polen abhängig. Daher hat die Regierung kürzlich Gesetze beschlosse­n, die die Windindust­rie wieder kräftig zurückfahr­en werden, während die Kohleprodu­ktion sogar noch ausgebaut werden soll. „Polen beruht auf Kohle, und das wird sich nicht ändern“, sagte Verteidigu­ngsministe­r Antion Macierewic­z vor Grubenarbe­itern, und Präsident Andrzej Duda sagte bei ähnlicher Gelegenhei­t, dass er nie zustimmen werde, „dass uns durch irgendwelc­he EURechtsvo­rschriften die Kohle weggenomme­n wird“. So wird wohl auf absehbare Zeit Pollution (Luftversch­mutzung) und Polen nicht nur phonetisch eins sein.

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Dicke Luft in Krakau, der Stadt mit der größten Luftversch­mutzung

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