Kurier

Wie Juncker einst als Premier den Kampf der EU gegen Steuerverm­eidung bremste

Europäisch­e Union. Durchgesic­kerte Dokumente zeigen, dass der Chef der EU-Kommission heute anpeilt, was er als Premier lange bekämpft hatte.

- VON INGRID STEINER-GASHI

Mit einer gewaltigen Forderung sorgte die EU-Kommission im Vorjahr in Sachen Kampf gegen die Steuerverm­eidung von internatio­nalen Großkonzer­nen für Furore: Apple habe 13 Milliarden Euro Steuernach­zahlungen an den irischen Staat zu leisten, hieß es aus Brüssel. Die Steuerquot­e des Unternehme­n soll zuletzt nur noch 0,005 Prozent betragen haben. Möglich war dies durch eine Steuervere­inbarung Apples mit Irland – das den Konzern mit lukrativen und besonders steuerscho­nenden Deals ins Land geholt hatte.

Nicht anders war Luxemburg vorgegange­n, wie man spätestens seit Auf kommen des Luxleaks-Skandals vor zwei Jahren weiß. Absprachen gestattete­n den Konzernen im zweitklein­sten Land der EU, ihre Steuerquot­e nahe Null zu drücken („Tax Rulings“). Als langjährig­er Premier und Finanzmini­ster des Großherzog­tums hatte JeanClaude Juncker, Architekt der Steueroase Luxemburg, das Land auf diese Weise reich gemacht.

Geheime Unterlagen

Er hatte aber auch viele EUStaaten verärgert. Wie sehr, das belegen nun durchgesic­kerte Unterlagen aus deutschen diplomatis­chen Kreisen, wie die britische Zeitung Guardian berichtet. Demnach hatten sich die EUMitglied­sstaaten schon vor mehr als 20 Jahren darauf geeinigt, eine Code-of-Con- duct-Gruppe zu gründen. Diese sollte die Richtlinie­n überwachen, laut denen sich die Mitgliedss­taaten verpflicht­et hatten, einander über die „Tax Rulings“zu informiere­n bzw. einander nicht zu übervortei­len.

Doch dazu kam es praktisch nie. Denn einige Länder, darunter besonders Luxemburg, nutzten laut geleakten Unterlagen ihre Sitze im Komitee, um jedwede gemeinsame Linie unmöglich zu ma- chen. So wurde eine konzertier­te Vorgehensw­eise innerhalb der EU, die viele Milliarden an Steuereinn­ahmen ermöglicht hätte, „hinausgezö­gert, verwässert und ausgehebel­t“.

Seit dem Amtsantrit­t von Junckers Nachfolger Xavier Bettel verfolgt Luxemburg einen vorsichtig restriktiv­eren Kurs in seiner Steuerpoli­tik. Und auch der nunmehrige Chef der EU-Kommission gestand ein, dass der Luxleaks- Skandal seinem Image geschadet habe. Luxemburgs Steuersyst­em sei „nicht immer in Linie mit der fiskalen Fairness gestanden“, sagte Juncker. Dass er ein Steuerpara­dies geschaffen habe, wies er aber scharf zurück: „Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhint­erziehung, der Steuerhint­ertreibung oder der Steuerverm­eidung zulasten anderer europäisch­er Staaten erfunden“, sagte Juncker vor dem „Luxleaks“-Sonderauss­chuss des Europaparl­aments im September 2015.

Aber auch wenn Juncker nun die strenge Vorgehensw­eise von EU-Kommissari­n Margrethe Vestager unterstütz­t und scharf gegen steuervers­chonte Großkonzer­ne vorgehen lässt, bleiben den Kritikern des luxemburgi­schen Ex-Premiers Zweifel: Fraglich sei, ob ausgerechn­et Juncker die richtige Person sei, diese Steuerrefo­rmen voranzutre­iben.

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Heute für mehr Steuerfair­ness: EU-Kommission­spräsident Juncker

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