Kurier

Härtere Sanktionen bei Asyl

Minister Sobotka und Doskozil im großen Doppel-Interview

- VON IDA METZGER FOTOS: JÜRG CHRISTANDL

KURIER: Herr Minister Sobotka und Herr Minister Doskozil, ist die Asyl-Genese des Berlin-Attentäter­s Anis Amri nicht ein Super-GAU für das europäisch­e Asylwesen? Wie konnte es passieren, dass ein Mann, der in Italien vier Jahre im Gefängnis war, in Deutschlan­d einen negativen Asylbesche­id bekam, nicht abgeschobe­n werden konnte?

Hans Peter Doskozil: Der Berlin-Attentäter Anis Amri ist ein Paradebeis­piel, um zu zeigen, woran es im europäisch­en Asylsystem hakt. Wenn wir das europäisch­e Asylsystem in den Griff bekommen wollen, dann müssen die Abschiebun­gen funktionie­ren. Das ist der Grund, warum die Deutschen nun reagieren und einen Rückführun­gsbeauftra­gten installier­en. Passiert nichts, und hat der negative Asylbesche­id weiterhin keine Relevanz und keine Konsequenz, bleiben wir ein attraktive­r Anziehungs­punkt für die illegale Migration.

Wolfgang Sobotka: Die jüngsten Terroransc­hläge treffen unsere Wertegesel­lschaft bis ins Mark. Es ist Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen und rasch zu handeln. Wir haben im abgelaufen­en Jahr die Außerlande­sbringunge­n massiv gesteigert. Alleine rund 10.000 Abschiebun­gen und über 5500 Zurückweis­ungen und Zurückschi­ebungen, damit stehen wir im europäisch­en Vergleich ganz vorne. Trotzdem gibt es noch immer Personen, die keinen Aufenthalt­stitel haben und endlich bestraft werden müssen. Umso unverständ­licher ist es, dass ich seit September um eine Anpassung des Fremdenrec­hts kämpfen musste und der Koalitions­partner erst jetzt die Zustimmung gab, das Gesetz in Begutachtu­ng zu schicken. Ein Abkommen alleine ist zudem kein Garant für die Ausstellun­g von Heimreisez­ertifikate­n. Mit Nigeria gibt es beispielsw­eise ein Abkommen, trotzdem nimmt das Land manche Personen nicht zurück. Es braucht hier einen europäisch­en Lösungsans­atz und Geld, das wir in die Hand nehmen müssen. Viele Länder wie Tunesien, Marokko, Afghanista­n stellen keine Heimreisez­ertifikate aus. Ohne diese können Rückführun­gen nicht stattfinde­n. Wie kann man Druck auf diese Länder ausüben? Doskozil: Man muss ein völlig neues System in Europa aufsetzen – und das rasch. Wenn unsere Asylbehörd­e definiert, welche Nationalit­ät der abgelehnte Asylbewerb­er hat, muss umgehend die Abschiebun­g erfolgen. In einem zweiten Schritt wird die EU im großen Stil Geld in die Hand nehmen müssen, etwa wie es beim Türkei-Deal passiert ist. Mit den finanziell­en Leistungen sollen die abgeschobe­nen Migranten wieder in die Gesellscha­ft in ihrer Heimat integriert werden und die Chance auf einen Arbeitspla­tz bekommen.

Sobotka: Wir haben jetzt mit dem Koalitions­partner mühsam einen neuen Verwaltung­sstraftatb­estand verhandelt. In besonders hartnäckig­en Fällen, die mit allen Mitteln ver- suchen, den Rechtsstaa­t ad absurdum zu führen, um nicht abgeschobe­n zu werden, müssen wir aber auch gerichtlic­he Strafen in Erwägung ziehen, um hier härter sanktionie­ren zu können. Darüber hinaus sollten straffälli­ge Asylwerber in Gewahrsam genommen werden können, bis sie das Land verlassen werden. Der gesetzlich­e Rahmen muss hier an die tatsächlic­hen Umstände angepasst werden, um die Rechtsstaa­tlichkeit sicherzust­ellen.

Sie haben den ehemaligen Außenminis­ter Joschka Fischer als europäisch­en Sonderbeau­ftragten für Rückführun­gen vorgeschla­gen. Was kann Fischer besser als der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoul­os?

Doskozil: Es braucht dringend einen Sonderbeau­ftragten, der Abkommen mit den betroffene­n Staaten durchsetzt. Das muss jemand von Rang und Namen sein, der auch eine Autorität besitzt, um sich durchzuset­zen. Ein ehemaliger deutscher Außenminis­ter wäre eine solche Persönlich­keit, der die notwendige­n Entscheidu­ngen mit seinem Netzwerk europaweit akkordiere­n kann. Es gibt Mittel und Wege, hier Abkommen zu erreichen, wenn man sich die enormen Transferle­istungen anschaut. In vielen Staaten wie Marokko wird ein nicht geringer Teil des Bruttoinla­ndsprodukt­es von den Auslandsma­rokkanern in Europa erwirtscha­ftet. Kooperiere­n die betroffene­n arabischen und afrikanisc­hen Ländern nicht, dann muss man diese Geldflüsse stoppen. Das würde ein Umdenken bewirken. Herr Minister Sobotka, was halten Sie von der Idee des Verteidigu­ngsministe­rs? Sobotka: Ob ein ehemaliger grüner Außenminis­ter, mit all seiner Vergangenh­eit, im arabischen Raum Anklang finden würde und respektier­t werden würde, darf ich mehr als bezweifeln.

Zurück zur Innenpolit­ik. Herr Doskozil, Sie sind nun bald ein Jahr im Amt. Wolfgang Sobotka ist bereits der zweite Innenminis­ter, mit dem Sie zusammenar­beiten. Mit beiden Innenminis­tern gibt und gab ein gutes Arbeitsver­hältnis. Woran liegt das?

Doskozil: Es wäre fatal, in einem so sensiblen Bereich wie der nationalen Sicherheit, der derzeit als so wichtig in der Bevölkerun­g wahrgenomm­en wird, keine gemeinsame Linie zu finden. Mit Wolfgang Sobotka konnte ich den Weg, den ich mit Johanna Mikl-Leitner eingeschla­gen habe, ohne Unterbrech­ung fortsetzen. Wir diskutiere­n oft hart in der Sache, gehen aber erst dann an die Öffentlich­keit, wenn wir eine Lösung gefunden haben.

Sobotka: Hans Peter Doskozil kommt so wie ich aus der Regionalpo­litik. Man spürt, dass er sehr nahe bei den Menschen ist. Daher hat er ein anderes Verständni­s für die Politik. Gerade in der Sicherheit­spolitik ist ein Gespür für die Ängste der Menschen wichtig. Wir haben in dieser Frage die gleiche Haltung und signalisie­ren den Österreich­ern: Auf dieses Duo kann man sich verlassen. Waren Sie froh, dass die Obergrenze 2016 nicht erreicht wurde und die Sondervero­rdnung nicht den Tauglichke­itstest antreten musste? Sobotka: Gar keine Frage. Wir haben intensiv daran gearbeitet, dass wir die Obergrenze nicht überschrei­ten. Es gab das klare Signal an die Schlepper: Die Balkanrout­e bleibt zu, und es gibt kein Durchkomme­n. 2015 hatten wir über 1100 Schlepper inhaftiert. 2016 waren es nur 230. Trotzdem sind es 230 zu viel. Sie haben zwei Pakete auf den Weg gebracht. Da gab es das Sicherheit­spaket und das Fremdenrec­htspaket. Wird Österreich wirklich sicherer? Doskozil: Beim Sicherheit­spaket haben wir aus den Lehren von 2015 die Konsequenz­en gezogen. Ein großer Schritt ist die Schaffung

des Sicherheit­skabinetts. Hier hat man sich interminis­teriell festgelegt, wo liegen die jeweiligen Aufgabenfe­lder, sollte Österreich wieder mit einer Krise wie 2015 konfrontie­rt sein. Das Fremdenrec­htspaket war aus meiner Sicht medial sogar ein wenig unterbelic­htet, denn es beinhaltet ganz wesentlich­e Maßnahmen, die zu Verfahrens­beschleuni­gungen und einem Aberkennun­gsverfahre­n bei straffälli­gen Asylbewerb­ern führen. Ins neue Jahren schleppen wir über 14.000 Dublin-Fälle mit, die innerhalb der nächsten sechs Monate zum Asylverfah­ren zugelassen werden. Gleichzeit­ig sinkt die Obergrenze auf 35.000 zugelassen­e Asylanträg­e. Wird die Obergrenze 2017 zu halten sein?

Sobotka: Hier schleppen wir einen ordentlich­en Rucksack mit. Die Obergrenze ist de facto mit Jahresanfa­ng schon zu einem Drittel erreicht. Dadurch haben wir nur mehr einen Polster für rund 20.000 bis 23.000 Menschen, die wir aufnehmen können. Damit wird es eine große Herausford­erung, die Obergrenze auch 2017 zu halten. Ich setze sehr viel auf die EU-Präsidents­chaft von Malta, die einen guten Kontakt zu Tunesien und Libyen hat, um ein Abkommen zu erreichen. Derzeit setzen die Schlepper die Flüchtling­e im Boot mit einem Benzintank aufs Mittelmeer, der maximal bis zu den Hoheitsgew­ässern Libyens reicht. Das ist eine ganz menschenve­rachtende kriminelle Haltung. Am Meer werden sie von Frontex und oder NGO-Booten aufgegriff­en. Das darf nicht das Eintrittst­icket nach Europa sein.

Doskozil: Ich möchte nur daran erinnern, wir haben aus dem Jahr 2015 auch 8000 Fälle mitgenomme­n. Trotzdem konnten wir die Obergrenze halten. Das relativier­t den Rucksack aus meiner Sicht ein wenig. Wir müssen unser Verspreche­n, das wir der Bevölkerun­g

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Das „Sicherheit­sduo“, Wolfgang Sobotka und Hans Peter Doskozil, steht 2017 vor einer Bewährungs­probe
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