Die neue Liebe zum Selbermachen
Warum das Handwerk gerade in der digitalen Zeit so wichtig wurde
Die gute, alte Zeit gegen die ach so komplizierte neue. Der Hiesige gegen den Fremden. Tradition gegen Globalisierung. In derartige Scheingegensatzpaare hat sich zuletzt die öffentliche Diskussion geflüchtet: Vor einer komplexer werdenden Gegenwart verbarrikadiert man sich hinter hochgezogenen begriff lichen Grenzen, um die Welt zumindest zurechtzuweisen, wenn man sie schon nicht zurechthämmern kann.
Wie wenig diese Gegensatzpaare bei genauerer Betrachtung aussagen, zeigt schön ein weiteres: Digitaler Fortschritt gegen Handwerk. Also gleichsam: besonnen lächelnde, mit sich und dem Leben in Einklang stehende Tischler im Gegensatz zu düster-verhuscht in dunklen Räumen Code schreibende Programmierer.
Nur ist das eben kein Widerspruch, sondern eine gemeinsame, aktuelle Strömung, die die Zukunft des Arbeitens mitbestimmen wird.
Digital trifft Tradition
Denn ausgerechnet die Vorreiter der digitalen Welt mit ihren Sozialmedien, Smartphones und selbstfahrenden Autos sind geradezu verliebt in die Vorzüge des Handwerks. „Maker“-Kultur heißt das dann, es geht dabei um die Weiterführung der Handwerks-Tradition in der neuen Zeit, ums Selbermachen und auch ums selber Verkaufen. Junge Menschen brauen Blick in die „handWERK“-Ausstellung im MAK (bis 9. April 2017) Edel-Bier, kochen gesundes Essen oder schmieden Schmuck, sie designen Mode und schleifen Messer.
Und auch das Programmieren, so betont der berühmte Soziologie Richard Sennett, ist ein Handwerk.
Es geht bei der Wiederentdeckung des Handwerks aber auch, wie MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein sagt, um eine Zukunft, die mehr Menschen betreffen dürfte, als jetzt absehbar ist: Denn das eigene handwerkliche Talent wird für manchen, der wegen der Digitalisierung seinen Job verlieren wird, zum Verdienen des Lebensunterhalts herangezogen werden. Die Wirtschaft wird im digitalen Bereich globalisiert, im Handwerk aber wieder lokaler als früher. Es wird demnach wieder mehr Wiener Werkstätten geben.
Umso logischer (und begrüßenswerter), dass sich das ehemalige Industriemuseum MAK genau damit nun in einer Ausstellung auseinandersetzt. Es geht um die Spannungsfelder, in denen sich das Handwerk befindet: Zwischen seinem vergleichsweise schlechten Ruf als Berufsoption und dem Hype um die „Maker“, um den LuxusTouch, den das Handgemachte hat, und die schwierige Konkurrenzsituation zur Massenproduktion.
Die Ausstellung spannt einen Bogen aus der Geschichte heraus zu den jungen, neuen Unternehmen, von denen sich auch einige im Dialog mit der MAK-Sammlung präsentieren dürfen. Insgesamt 20 ausgewählte Handwerker, von der Hutmacherin bis zum Geigenbauer, werden sich in einer in die Schau integrierten „Live-Werkstatt“über die Schulter schauen lassen.
Die Materialien der Selbermacher und ihre Werkzeuge, ihre Ausbildung und moderne Vermarktung sind ebenso Thema wie Nachhaltigkeit; man kann Materalien angreifen (ein wichtiger Faktor des Handwerks) und einem Video-Vortrag Sennetts lauschen.
Und wer selber (noch) nichts herstellen kann, kann zumindest das Bewusstsein mitnehmen, doch etwas können zu wollen.–