Kurier

„Plädiere für Menschlich­keit – was ich bekomme, ist Hass“

Nach Frau Gertrude wird jetzt auch ein 26-jähriger Wiener, der Wahl-Video postete, im Netz diffamiert – und mit Mord bedroht

- – RAFFAELA LINDORFER

3,2 Millionen Mal wurde die Videobotsc­haft von Frau Gertrude innerhalb einer Woche angeschaut. Die meisten zollen der 89-Jährigen, die als Einzige in ihrer Familie den Holocaust überlebt hat, Respekt. Andere zeigen genau das Verhalten, vor dem sie warnt: Dass in diesem Wahlkampf „das Niedrigste aus dem Volk herausgeho­lt“werde.

Aktuell bekommt das ein 26-jähriger Wiener zu spüren. Karl Michael ist homosexuel­l. Warum das eine Rolle spielt? Kommentare wie „Die Schwuchtel gehört verbrannt“, und „ Der Zwitter muss hängen“fluten seine Facebook-Seite. Immer wieder sind Morddrohun­gen dabei, die der Modedesign­er bei der Polizei anzei- gen wird. Anlass war eine Videobotsc­haft, in der er dazu aufruft, sich bei der Wahl am Sonntag „für Menschlich­keit und gegen Hass“zu entscheide­n. Er sagt weder „wählt Alexander Van der Bellen“, noch „wählt Norbert Hofer nicht“. Darauf, dass er zum VdB-Lager neigt, weist ein Sticker am Bildrand hin.

Das Video wurde fast 500mal geteilt – unter anderem von der FPÖ Kitzbühel, die es spöttisch als „Entscheidu­ngserleich­terer“für Hofer dekla- riert. Auch eine Landesgrup­pe der deutschen Rechtspopu­listen AfD hat das Video mit verächtlic­hem Hinweis gepostet. Die Hasspostin­gs schockiere­n Karl Michael zwar, löschen werde er das Video aber demonstrat­iv nicht: „Ich lasse es bis zum Wahltag stehen. Die Leute sollen sehen, welche verabscheu­ungswürdig­en Kommentare sich da ansammeln. Dann fangen sie hoffentlic­h an, nachzudenk­en.“

Wie bei Frau Gertrude macht ihn der Umkehreffe­kt seiner Botschaft nachdenkli­ch: „Ich habe für Menschlich­keit plädiert, und was ich bekomme, ist Hass.“

Auch die 89-jährige Ausschwitz-Überlebend­e wurde von Hasspostin­gs nicht verschont. Man zweifelt ihre Lebensgesc­hichte an, witzelt über ihr Alter. Das VdB-Team wurde zudem mit eMails bombardier­t – offenbar von einem Fake-Account. Der Absender, der auch den KURIER kontaktier­te, drängte darauf, den vollen Namen der Frau zu erfahren. Im VdB-Team riet man Frau Gertrude, sich sofort an die Polizei zu wenden, wenn sie sich bedroht fühle. „Das alles ist bisher strafrecht­lich nicht relevant, nur traurig“, sagt eine Sprecherin.

Heute wird das VdB-Team die Videobotsc­haft eines ehemaligen FPÖ-Wählers veröffentl­ichen. Michael S. erklärt darin, dass der Wahlslogan Hofers „So wahr mir Gott helfe“bei ihm ein Umdenken bewirkt habe – diesmal wähle er Van der Bellen. „Er ist sich der Gefahr bewusst, jetzt auch zur Zielscheib­e zu werden. Wir unterstütz­en ihn juristisch, sollte es notwendig werden“, heißt es aus dem VdB-Team.

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Karl Michael bekommt nach Videobotsc­haft Morddrohun­gen – damit tritt ein, wovor Frau Gertrude warnt
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