Alter Kontinent als Ausgaben-Kaiser
Die EU gönnt sich die Hälfte der Sozialausgaben. Stimmt das?
Das Bonmot ist bei konservativen Politikern höchst beliebt: „Europa macht sieben Prozent der Weltbevölkerung aus, erzielt 25 Prozent der globalen Wirtschaftsproduktion, leistet sich aber 50 Prozent der Sozialausgaben.“Angela Merkel hatte das 2012 erwähnt, David Cameron, Christoph Leitl oder Reinhold Mitterlehner griffen es später auf. Die implizite Botschaft: Das können wir uns nicht (mehr) leisten. Aber stimmen die Zahlen?
Sieben Prozent der Weltbevölkerung ist immer noch korrekt, allerdings für die EU. Ohne Großbritannien wird der Wert bis 2021 übrigens auf 5,8 Prozent sinken. Die Angabe zur Wirtschaftsleistung stimmt nicht ganz: In Dollar gerechnet hat die EU 22 Prozent Anteil, umgelegt auf die Kauf kraft 16,8 Prozent (ohne Briten nur 14,5 Prozent).
Leistet sich die EU wirklich die Hälfte der weltweiten Sozialausgaben? Das ist schwer nachzuvollziehen. Was konkret zu den Sozialkosten gezählt wird, bleibt im Nebel. Die Größenordnung könnte passen, urteilten britische Faktenchecker (fullfacts.org). 2012 errechnete die Weltbank nämlich 58 Prozent Anteil – aber für ganz Europa und unter nur 96 Ländern.
Und, ist das künftig noch leistbar? „Verteilen kann man nur, was man zuvor erwirtschaftet hat“, betont Rolf Gleißner von der WKO. „Die Geschichte wird falsch herum erzählt“, kontert AK-Ökonom Markus Marterbauer: Die soziale Absicherung sorge für Offenheit, stabiles Wachstum und höhere Produktivität. Gerade deshalb könnten so wenige Europäer fast ein Viertel des Welt-BIP erzeugen.