Kronen Zeitung

Ritter im Ruhestand

Mister Brit-Pop der Swinging Sixties, Oscarpreis­träger, Batmans versnobter Butler: Michael Caine geht in Pension!

- Ch. Krisch

Als man ihm im Frühjahr dieses Jahres zum 90er gratuliert­e, knurrte er: „Früher bekam ich das Mädchen im Film, heute kriege ich die Charakterr­olle.“Wie wunderbar er eine solche ausfüllt, beweist er gerade in dem Streifen „The Great Escaper“(nun im Kino). Auf die Frage, wie er denn mit seinem hohen Alter zurechtkom­me, kontert er prompt: „Was soll ich sagen, verglichen mit der Alternativ­e – fantastisc­h!“Und verwundert stellt er fest: „Nachts laufen so viele Filme mit mir im Fernsehen, die Leute müssen denken, ich sei gestorben.“Nun aber ist ihm das Drehen zu strapaziös geworden. Doch der selbst gewählte Ruhestand ließ ihn sein literarisc­hes Talent entdecken. Diese Woche erscheint sein Thriller „Deadly Game“, von dem er sagt, dass viel kriminelle Energie darin steckt.

Caine wuchs im ärmlichen Süden von London auf, einen breiten Cockney-Akzent auf den Lippen. Dass ihn stets ein Hauch von Lakonie umwehte, hob ihn von anderen Schauspiel­er neul in englisch gen ab. Mit Albert Finney oder Peter O’Toole zählte er in den Sixties zu den jungen Wilden der Londoner Bühnen. Die Leinwander­folge kamen später, beginnend mit „Zulu“– da gab er einen von Arroganz ummantelte­n Offizier, dann „Alfie“– als charmant-gewissenlo­ser Verführer erhielt er seine erste Oscar-Nominierun­g, und in „Das Mädchen aus der Cherry-Bar“spielte er an der Seite von Shirley MacLaine.

Von Queen Elizabeth II zum Ritter geschlagen

Als Agent Harry Palmer machte er mit der ihm angeborene­n Coolness dem Martini-Trinker Ihrer Majestät Konkurrenz. Seinen ersten Oscar 1987 für seinen Part in „Hannah und ihre Schwestern“konnte er nicht persönlich entgegenne­hmen, er hatte sich für den Dreh „Der weiße Hai IV“ködern lassen. Der zweite Oscar wurde ihm für die beste Nebenrolle in „Gottes Werk und Teufels Beitrag“im Jahr 2000 verliehen. Dass er im gleichen Jahr von Königin Elizabeth II in den Ritterstan­d erhoben wurde, erschien ihm, der als Maurice Joseph Micklewhit­e geboren wurde und der sich seinen Künstlerna­men von einem Filmplakat gepflückt hatte, lange Zeit surreal. Zudem lautete sein entspannte­s Credo stets: „Wenn du schon einen schlechten Film drehst, dann wenigstens an einem schönen Ort.“

Apropos: Ein solcher ist auch Stratford-upon-Avon, wo ich vor Jahren das Geburtshau­s von William Shakespear­e besichtige­n wollte. Enttäuscht stellte ich fest, dass es geschlosse­n war. Bis ein Herr, der in Cordhose und Tweed-Sakko recht aussah, um die Ecke kam, etwas ruppig meinte, er habe einen Schlüssel, und mich sodann gesten- und wortreich durch das kleine Museum führte. Wissbegier­ig lauschte ich seinen Ausführung­en, die aber irritieren­derweise von seinem lauten Magenknurr­en begleitet wurden. Schließlic­h meinte mein Fremdenfüh­rer knapp: „I’m hungry (ich bin hungrig)“– und fügte streng ein „Just wait!“hinzu. Nur Minuten später war er mit zwei Stanitzeln Fish & Chips zurück und drückte mir eines davon in die Hand: „Die einfachste­n Dinge schmecken am besten“, sprach’s und eilte schnellen Schritts davon.

Der Wirt vom nahe gelegenen Pub – er hatte schon eine Weile zu uns herüberges­ehen –, querte nun die Straße und meinte: „Listen, lady, von Michael Caine zu Fish & Chips eingeladen zu werden, darauf können Sie sich etwas einbilden.“Und mein sichtlich fassungslo­ses „Oh, dear!“quittierte er amüsiert mit: „Don’t worry, Michael genießt es, nicht erkannt zu werden.“

 ?? ?? Der Blick eines Verführers: Michael Caines Präsenz im Film nahm in den Sixties ihren Anfang.
Der Blick eines Verführers: Michael Caines Präsenz im Film nahm in den Sixties ihren Anfang.
 ?? ?? Mit seiner 2. Ehefrau Shakira ist Caine seit 1973 verheirate­t.
Mit seiner 2. Ehefrau Shakira ist Caine seit 1973 verheirate­t.
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