FALL 2 Mit falschen Versprechungen lockten skrupellose Menschenhändler Lisha nach Europa – und zwangen sie zur Prostitution
Wie viele Afrikanerinnen träumte auch Lisha (43) von einem Leben in Europa, weil es einem hier besser als zu Hause in Nigeria ginge. Man hat ihr versprochen, sie könne sich in Italien den Traum von einem Kommunikations-Studium erfüllen, sie solle halt nebenbei als Friseurin arbeiten, um sich die Ausbildung zu finanzieren. Tausende Euro musste die Frau für die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer hinblättern. Geld, das die Familie irgendwie zusammengekratzt hat.
Bald landete Lisha mit ihren großen dunklen Augen und den schwarzen Locken in der glitzernden Modemetropole Mailand – aber nicht, um in einem Salon zu arbeiten oder in einem Seminar zu sitzen. Sondern im Bordell. Dort war sie Schlägen und seDer xuellen Übergriffen ausgesetzt, wenn sie ihren Körper nicht zur Verfügung stellen wollte. „Ich hatte fünf bis sechs Männer täglich zu bedienen. Ich hielt das nicht mehr aus“, erzählt sie. Eines Tages vertraute sie sich einem Freier an, mit dem Risiko, dass dies auch hätte schiefgehen können. Dann wäre sie wieder verprügelt worden.
Mann erkannte den Ernst der Lage, packte Lisha in sein Auto und fuhr mit ihr nach Österreich, wo es für sie ungewöhnlich kalt war. Dafür traf sie Menschen mit einem warmen Herzen. Wien-Meidling war die Endstation. Mittlerweile ist die 43-Jährige im Leo, einem Obdachdachlosenheim der Johanniter in der Leopoldstadt. Hier hat sie ein Dach über dem Kopf, es ist warm, es gibt Essen. Vor allem ist es sicher. „Im 5. Stock sind 17 Frauen im Alter von 21 bis 73 untergebracht, mit einem Security vor der Tür“, sagt Katharina Hörmann, Leiterin des Obdachlosenheims, in dem 90 Personen leben.
Pflegerin hofft, dass sie in Österreich bleiben darf
Ein Mann und eine Familie? Nein, das will Lisha auf keinen Fall. Sie macht eine Pflegeausbildung in Mistelbach (NÖ) und hofft, dass sie in Österreich bleiben darf. „Ich möchte hier in Frieden leben und den Menschen etwas zurückgeben“, sagt sie und verabschiedet sich mit einem Lächeln.
Die Zahl Hilfe suchender Frauen steigt. Durch das Ungleichgewicht beim Einkommen und die Teuerung können sich viele keine Trennung leisten
Katharina Hörmann, Leiterin JohanniterObdachlosenhaus Foto: Jöchl Martin