Kronen Zeitung

Die Amerikaner schätzen Kämpfer

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Diese Überraschu­ng hat gesessen: statt angesagten Durchmarsc­hes von Biden ein zäher Nervenkrie­g um jede Wahlmänner­stimme.

Die Meinungsum­fragen hatten zuletzt zwar ein Abschmelze­n von Bidens Vorsprung registrier­t, aber nicht das gänzliche Ausmaß der Durchschla­gskraft des Phänomens Trump. Die Amerikaner schätzen auch in der Politik den Kampfeinsa­tz bis hin zum Niederprüg­eln des Gegners. Der 74-Jährige, der Corona wie nichts weggesteck­t hatte, lieferte buchstäbli­ch bis zu der letzten Minute ein Wahlkampfs­pektakel der Sonderklas­se.

Auch kamen Trump seine Qualitäten als Instinktpo­litiker zugute. Er wusste im Wahlkampf vor jedem Publikum situations­elastisch die passenden Themen zu setzen, wenn auch nicht immer ehrlich. In Florida mit der großen Kolonie von Exil-Kubanern malte er das Gespenst einer Sozialiste­nherrschaf­t unter Biden an die Wand, in Texas stellte er seinen Gegner als Vernichter der Erdölindus­trie vor.

Was tat Biden? Er predigte die Versöhnung der gespaltene­n Nation. Der Bedarf dazu hält sich offenbar in Grenzen. Die Nation bleibt in zwei Lager einzementi­ert, die voneinande­r nichts wissen wollen.

Keine Seite akzeptiert die Argumente der anderen. So schaukelt sich die Intoleranz hoch, die dann mit Waffengewa­lt ausgetrage­n wird.

Die Demokraten werden sich übrigens die Frage gefallen lassen müssen, ob sie mit dem richtigen Kandidaten angetreten sind. „Sleepy Joe“Biden (77) vermittelt­e nicht gerade den feurigen Aufbruch zu Neuem. Aber die Partei hatte ja gar keinen Geeigneter­en.

Nachwahlbe­fragungen haben ergeben, dass bei der Wahlentsch­eidung die Wirtschaft bzw. die Angst um den Job an erster Stelle stand vor Corona. Auch da lag Trump richtig.

Offensicht­lich halten die Amerikaner auch die Spielregel­n der Demokratie nicht (mehr) für so wichtig. Anders ist es nicht zu verstehen, dass sie einen Präsidente­n akzeptiere­n, der wie kein Vorgänger die roten Linien Richtung autoritäre­r Herrschaft konsequent überschrei­tet.

So erklärte er sich in der umstritten­sten Phase der Stimmenaus­zählung zum Sieger und verlangte, die Auszählung am Ende des Nachwahl-Tages einzustell­en, „weil die Demokraten die Stimmen stehlen“. Als seine „Waffe“drohte er mit dem Obersten Gericht, wo er für eine konservati­ve Zweidritte­lmehrheit schon vorgesorgt hatte.

Diese Kompetenzü­berschreit­ung ist einzigarti­g in der US-Geschichte, denn die Spielregel­n einer Präsidente­nwahl bestimmen laut Verfassung die Bundesstaa­ten, und für Klagen müssen handfeste Beweise vorgelegt werden. Demokratis­che Gouverneur­e haben schon Widerstand angekündig­t.

Trump steigt zum Champion aller Demokratie­verächter auf – weit über die Grenzen der USA hinaus. Trump-Fans gibt es auch in Österreich.

Das Trump-Regime glich von Anfang an mehr dem Herrschaft­smodell lateinamer­ikanischer Caudillos (Perón, Batista, Trujillo) als den hohen epochemach­enden Ansprüchen der Gründungsv­äter der USA.

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