Kronen Zeitung

Wie funktionie­rt Gehirnwäsc­he? So entsteht der „neue Mensch“

Totale Isolation und Kasernenho­fdrill Ständige Bekenntnis­se eigener Fehler Auswendigl­ernen von Regimeprop­aganda Indoktrina­tion mit neuem Gedankengu­t

- K.S.

Das Phänomen der asiatische­n Gehirnwäsc­he war erstmals nach dem Koreakrieg 1953 allgemein bekannt geworden. Damals waren US-Soldaten aus nordkorean­ischer Kriegsgefa­ngenschaft zurückgeke­hrt, die ihrer Regierung schwere Vorwürfe der Aggression gegenüber Nordkorea machten.

Die US-Soldaten waren Opfer dieser manipulati­ven Psychotech­niken geworden. Ihre Realitätsw­ahrnehmung wurde systematis­ch zersetzt und nach mentaler Umprogramm­ierung durch eine neue Einstellun­g ersetzt.

Gehirnwäsc­he ist das Merkmal totalitäre­r Staaten ebenso wie von Sekten. Ein chinesisch­er Funktionär erklärte einmal dem Autor dieser Zeilen: „Selbstvers­tändlich muss man den Geist ebenso säubern wie den Körper.“

Wie so etwas funktionie­rt, wissen wir seit den geleakten Geheimdoku­menten über den Umgang Pekings mit ethno-religiöser Extremismu­sgefahr unter Uiguren. Das Umerziehun­gsprogramm vermutlich für Hunderttau­sende des 11-Millionen-Volkes wird von Chinas Führung „Entradikal­isierungsp­rogramm“und die hermetisch abgeschlos­senen Lager „Weiterbild­ungszentre­n“genannt. Interniert wird laut den Dokumenten jeder, bei dem allein schon Terrorismu­sverdacht „nicht ausgeschlo­ssen werden kann“.

Erster Schritt ist die totale Isolierung von der Außenwelt und kasernenho­fmäßiger Drill; Sprechverb­ot und Reden nur, wenn gefragt. Absolute Trennung von der Familie.

Nächster Schritt ist das Bekennen, Niederschr­eiben eigenen Fehlverhal­tens, immer wieder, immer wieder. Einsicht wird belohnt, Starrsinn wird bestraft. Irgendwann bricht der Widerstand.

Nächster Schritt ist das Einfügen in die Rituale des Staates: Zeremonien der Flaggenhis­sung, Hymnen auf Staat und Partei, Bedeutung der Staats- und Parteifeie­rtage.

Erlernen der chinesisch­en Sprache und Schrift (was für Minderheit­en nicht schlecht ist). Dieses Programm geht über in das intensive Studium der Lehren des Staatsführ­ers. Seine Lehrsätze werden in Sprechchör­en repetiert.

Die Gehirnwäsc­he wird begleitet von einer Ausbildung zu sicheren Jobs.

So schlüpft der Delinquent langsam in eine neue Realität, erkennt die Segnungen, die an ihm vorgenomme­n wurden. Ziel Pekings ist nicht die Unterdrück­ung der Minderheit­en, sondern die Schaffung des „neuen Menschen“, der flächendec­kend nach chinesisch­em Modernisie­rungsstand­ard funktionie­rt. Ethnische Prägungen werden auf die kulturelle Spielwiese abgedrängt.

Und, was die Führung in Peking nicht müde wird, zu betonen: Es gibt seit drei Jahren keinen islamistis­chen Terroransc­hlag mehr in China.

Newspapers in German

Newspapers from Austria