Party der Mörder
Volkstheater glänzt mit Jelinek
Massenmord als Party-Einlage: Am Beispiel einer historischen Gräueltat zeigt Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek das zeitlose Funktionieren von Bestialität und Verdrängung. Dem serbischen Regisseur Miloš Lolić gelingt am Volkstheater eine vielschichtige Aufführung: „Rechnitz“zählt zum Stärksten dieser Saison.
Am 25. März 1945 feierten SS-Offiziere und lokale Prominenz auf Schloss Rechnitz im Burgenland ein ausgelassenes Fest. Auch eine Mitternachtseinlage war vorbereitet: 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter wurden zusammengetrieben und von ausgewählten Gästen erschossen. Als Tage später die Rote Armee einrückte, waren Täter und Opfer unauffindbar, die Prozesse verliefen im Nichts. Elfriede Jelinek fasst diesen exemplarischen Wahnsinn in ein Textgebilde von blitzender Wut und rasendem Witz.
Die Bearbeitung der Jelinek’schen „Textflächen“, die keine Rollen kennen, ist eine Herausforderung, an der sich viele Regisseure verheben. Hier müssen eigene Bühnenwelten gefunden werden, aber der Branchenzeitgeist rettet sich meist in plattes Schrei- und Thesentheater.
Lolić aber hat das Können, um ein Ensemble zur Wahrheitsfindung zu motivieren. Zu Beginn tut sich der Boden auf und speit sieben weibliche und männliche Showgirls aus. Sie sind die Boten des nahen Endes und entfesseln die Untergangsrevue. Großartig aber sind die Augenblicke der Ruhe, wenn das Unsagbare ausgesprochen wird. Thomas Frank, Katharina Klar, Sebastian Klein, Steffi Krautz, Kaspar Locher, Claudia Sabitzer, Birgit Stöger und Jasmin Avissar gebührt Bewunderung: für Präsenz, Emotion und virtuose Textbehandlung.