Wenn der Wurm einen Fisch liebt
Staatsoper: Ivan Alexandre inszeniert Glucks „Armide“
Ivan Alexandre ist der inszenierende Partner von Marc Minkowski für die Neuproduktion von „Armide“an der Staatsoper. Für Alexandre ist Glucks 1777 in Paris erfolgreich uraufgeführte Oper eine reine, große Liebesgeschichte: Armide, die Nichte des Königs von Damaskus, muss im Grunde ein junger Soldat sein.
„Ich habe dieses Gefühl seit Jahren. Ich fand diese Geschichte nie plausibel mit einer Frau“, sagt Ivan Alexandre. „Armide“spielt während des 1. Kreuzzuges. Zu Beginn wird ihr Sieg über die Kreuzritter gefeiert. Für Alexandre ist es unmöglich, dass eine Frau je muslimische Truppen anführen würde. Er verweist auf Torquato Tasso, der in der Vorlage „Gerusalemme liberata“Armide als wunderschöne orientalische Prinzessin, jedoch mit dem „Herzen eines Mannes“, beschreibt.
Alexandre erinnert auch ans Kabuki-Theater, wo sich Männer in Frauen verwandeln, und: „Letztes Jahr wurden im Jemen vier Soldaten verhaftet, die sich als Frauen verkleidet hatten. Genauso sehe ich Armide. Ein ganz junger Mann, der als Waffe eingesetzt wird. Der seinen Charme verwendet, um den Feind zu fangen. Armide ist die Geschichte eines Wurms, der sich in den Fisch verliebt, für den er der Köder sein wollte!“Der Fisch ist der Kreuzritter Renaud. Alexandre hält die Oper für eine der stärksten von Gluck, die es nur aufgrund eines fehlenden Schlagers nicht zur selben Popularität geschafft hat wie etwa die „Alceste“oder der „Orfeo“, den er, wieder unter Minkowksi, 2014 bei der Mozartwoche inszeniert hat. Das Libretto Philippe Quinaults für Lully reicht in seiner literarischen Qualität für Alexandre an Racine heran: „Glucks Vorgehen erinnert dabei an die Remakes in Hollywood. Es war riskant, denn Gluck hatte den Ruf, weniger ein Komponist von Liebesgeschichten, denn einer von Tragödien zu sein.“„Armide steht fast immer auf der Bühne, und das Libretto schaut in ihr Herz. Ihr Gefühlsleben wird abgeklopft, ohne sentimental zu werden. Wie eine Studie über die Leiden der Liebe!“