Kronen Zeitung

Auf dem Land direkt gewählt und anerkannt

Die für heute vorgesehen­e Wahl des Bundespräs­identen wurde verschoben. So wird der ab Mittwoch in Klagenfurt stattfinde­nde Gemeindeta­g plötzlich zum Politikere­ignis der Woche. Dort vertreten sind jene Politiker, die in sechs von neun Bundesländ­ern gleich

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1.Viele Bürgermeis­ter leben auf keiner Insel der Seligen, doch ist ihre Welt halbwegs in Ordnung. Während national eine massive Politikerv­erdrossenh­eit herrscht, ist die Mehrheit überzeugt, in ihrer Gemeinde mehr mitbestimm­en zu können als auf Bundeseben­e. Der Bürgermeis­ter wird – so die Daten einer Studie des Österreich­ischen Gemeindebu­nds 2015 – von rund 40 Prozent als politische Instanz gesehen, die Inte-ressen der Bevölkerun­g am besten vertritt. Zum Vergleich: Nur zehn Prozent meinen, das seien Bundespoli­tiker. Ein einziges Prozent sieht Politiker der EU als bestmöglic­he Volksvertr­eter.

2.Warum nur, warum? Eine Erklärung sieht so aus: Im Burgenland, in Kärnten, Oberösterr­eich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg werden die Bürgermeis­ter direkt gewählt. Also findet naturgemäß eine Mehrheit den jeweiligen Amtsinhabe­r nicht so schlecht, weil man ihn ja persönlich und oft über Parteigren­zen hinweg zum Obersten des Ortes gemacht hat. Auch in Niederöste­rreich und der Steiermark wird eine indirekte Wahl durch allseits bekannte Gemeinderä­te – ihnen vertrauen knapp drei Viertel, der Regierung und Opposition auf Bundeseben­e oft weniger als ein Viertel – als relativ volksnah empfunden.

Wien als Land und Gemeinde zugleich ist ein Sonderfall. Wer also je nach Parteivorl­iebe Michael Häupl hochjubelt oder beschimpft, hat einen viel zu engen Blickwinke­l auf 2100 Bürgermeis­ter in Österreich. Vergessen wird, dass ohne Berechnung Wiens die durchschni­ttliche Gemeinde 3268 Einwohner hat. In vielen Kleingemei­nden sind es deutlich weniger. Doch nationale Politiker ignorieren allzu gerne den ländlichen Raum, als würde sich die Welt allein rund um die Wiener Ringstraße drehen.

3.Die Beliebthei­t der Bürgermeis­ter und im Normalfall des Bundespräs­identen führt zur Folgefrage, ob nicht für Landeshaup­tleute und nach US-Vorbild vom Polizeiche­f bis zum Feuerwehrh­auptmann gleichfall­s die Direktwahl das Positivbil­d stärken würde. Klar, die Personalis­ierung kann Nachteile haben, wenn etwa – siehe früher das Extrembeis­piel Arnold Schwarzene­gger als kalifornis­cher Gouverneur – Imagefakto­ren die Frage nach der inhaltlich­en Kompetenz total überlagern.

Ein Vorteil ist trotzdem unbestritt­en: Unsere Demokratie leidet, dass vom Volk die Distanz zu seinen Volksvertr­etern als zu groß empfunden wird. Das Listenwahl­recht verschlimm­ert die Anonymität mancher Politiker. Egal, welche Partei Sie gewählt haben: Wer kennt noch den Zweiten oder Dritten der jeweiligen Landeslist­e, der inzwischen aufgrund Ihrer Stimme im Nationalra­t sitzt?

4.Umso bedenklich­er sind Nachwuchsp­robleme und der Frauenmang­el, wogegen keine Direktwahl hilft. 1954 männlichen Gemeindech­efs stehen 146 Bürgermeis­terinnen gegenüber, und diese sind mehrheitli­ch zwischen 50 und 60 Jahre. Das hat gesellscha­ftliche Gründe, und jüngere Mütter treffen die Schattense­iten des Jobs be-

sonders. Man hat bis zu 16 Arbeitsstu­nden pro Tag und keine freien Wochenende­n. Wer von heute auf morgen abgewählt wird, für den gibt es keine soziale Absicherun­g.

Hinzu kommen Haftungen. Nicht bloß das Budget betreffend. Werden Maibaum oder Bierzelt und Jugendpart­y nicht bewilligt, ist die Wiederwahl aussichtsl­os. Fällt der Baum um oder verunglück­t jemand auf dem Fest, steht man vor Gericht. Im Extremfall droht eine unbedingte Haftstrafe. Gleichzeit­ig ist medial zu hören, dass Politiker angeblich nicht zur Verantwort­ung gezogen werden. Frauen wägen Gefahren und Anfeindung­en sorgfältig­er ab und verzichten lieber auf die Kandidatur.

5.Trotzdem haben Bürgermeis­ter eine fasziniere­nde Arbeit. Von der breiten Öffentlich­keit unbemerkt, bleibt freilich ein Stillstand der Republik, der ihre Planungen erschwert. Thema des Gemeindeta­gs ist auch der Finanzausg­leich. Durch ihn werden alle Steuergeld­er verteilt, die Gemeinden erhalten für ihre Aufgaben wie Schulerhal­tung und Straßenbau vom Bund rund 12 Prozent. Der Haken daran: Ein Beschluss wurde für April des Vorjahres angekündig­t – und ist eineinhalb Jahre später noch nicht erfolgt.

Die Gemeinden bleiben nur durch Verlängeru­ng des Ausgleichs von 2008 (!) handlungsf­ähig. Kein Bürgermeis­ter kann in solchen Phasen der Unsicherhe­it die den Wählern versproche­nen Vorhaben wie Investitio­nen in die dörfliche Infrastruk­tur systematis­ch angehen. Auf jener Ebene, auf der direkt gewählte Politiker das beste Image genießen, ist das in Zeiten wie diesen sehr schade. Die große Bundespoli­tik sollte sich mehr an den „kleinen“Bürgermeis­tern in Landgemein­den ein Beispiel nehmen.

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Ballhauspl­atz: Rathaus schlägt Bürgermeis­ter Der Fotos (auf den aus Gemeindeäm­ter wird ganz Österreich) der von 40 Prozent jene Österreich­er als gesehen, politische Instanz die die Interessen am der Bevölkerun­g besten vertritt.
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Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-FranzensUn­iversität Graz.
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