Eins zu null für Wolfgang Amadé
Raimundtheater: Welturaufführung von „Schikaneder“; Inszenierung: Trevor Nunn
Donnerndes, ein wenig inszeniert wirkendes Bravogeschrei, Jubel und eine stehende Ovation nach dieser Welturaufführung! Die Vereinigten Bühnen Wien zeigten im Raimundtheater Stephen Schwartz’ Musiktheater „Schikaneder“. Ein Stück, das Mozart als (Werbe-)Zugpferd vor den Musical-Karren spannt. Doch es geht 1:0 für Mozart aus!
Als das Ensemble sich zum Schlussapplaus verbeugte – auf den Tag genau 225 Jahre nach der Uraufführung von Mozarts „Zauberflöte“im Freihausthea- ther auf der Wieden –, stand fest: Mozarts Oper schlug Stephen Schwartz’ Musical in zwei Runden und drei Stunden Dauer!
Schwartz’ und der Librettist Christian Struppeck (VBW) erkannten natürlich, dass die rührende Lovestory des Emanuel Schikander eine zu dünne Suppe ist. Ein Musical über ihn hätte so manchen im Publikum ratlos gelassen. Who the hell is Schik . . .? Mag er auch im Wien des 18. Jahrhunderts ein Star geworden sein.
Struppecks & Schwartz’ Atout: Schikaneder schrieb für Mozarts „Zauberflöte“das Libretto und konnte dank der Erfolge das Theater an der Wien erbauen. Das heißt, Wolfgang
Amadés Musik und besonders Szenen der „Zauberflöte“sind – wie die Musik des 18. Jahrhunderts – in Stephen Schwartz’ recht konservativer Komposition eingeflossen. Aus dem kleinen Orchester – 31 Mann unter Koen Schoots’ Leitung – tönen musikalische Formen und Harmonien der Mozart- Zeit. Doch: Mozart zieht immer! Auch wenn nur sein Name durch das Stück geistert!
Starregisseur Trevor Nunn („Cats“, „Les Misérabels“, Royal Shakespeare Company) ist ein Theatermagier. Ihm gelingt es, für den oft langatmigen Mix aus Oper, Show, musikalischer Komödie, Singspiel szenisch spannende Momente maßzuschneidern. Die Figuren mit Tempo durch die Szenen fegen zu lassen. Ihnen Profil zu geben. Und dank Anthony Wards barock-üppiger Ausstattung ist auch alles wunderschön anzusehen: Ein drehendes, hölzernes barockes Bühnenhaus kehrt immer neue, stimmungsvolle Räume und Blickwinkel hervor. Von muffigen Künstlergarderoben und Hinterzimmern bis zur „Zauberflöten“-Bühne mit Drachen, Palmen, Pyramiden (was an die Produktion des „Phantoms der Oper“erinnert).
Unter Koen Schoots’ dynamischer Führung, die etwa Mozart-Farben und typische Schlüsse hervorkehrt und Rezitative klanglich effektvoll inszeniert, verkörpern Mark Seibert und Milica Jovanovic das exaltierte Paar Emanuel & Eleonore und sein turbulentes (Liebes)Leben: Er, ein smarter Luftikus und Womanizer, ein sympathischer Schwadroneur und Hasardeur, der allerdings stimmliche Probleme hat; sie, ein Trotzkopf, der liebt, tapfer gegen billige Rivalinnen kämpft und trotz all seiner Eskapaden zu ihm zurückkehrt: „Liebe siegt“, singen sie schließlich.
Liebenswert und in ihrem Koloraturenzirkus amüsant ist die „komische Figur“Maria Anna Miller von Katie Hall. Florian Peters gefällt als Dichter Johann Friedel, ein inniger altmodischer Lover Eleonores, Reinwald Kranner als Prinzipal Marinelli, ein hinterlistiger Fuchs. Verlässlich das Ensemble (Choreografie: Anthony van Laast).