Ein Tänzer fällt vom Himmel
ImPulsTanz, Volkstheater: Ismael Ivos „Discordable – Bach“, Dimos Goudaroulis
„Ich denke, also bin ich“, sagt der französischePhilosophRenéDescartes, dem es um Erkenntnisfähigkeit des Menschen geht. Für Ismael Ivo ist das der Ausgangspunkt für seine neue Solochoreografie „Discordable – Bach“, die er – selbst tanzend – im Rahmen von ImPulsTanz 2016 zur österreichischen Erstaufführung brachte. Am Solocello: der Grieche Dimos Goudaroulis.
Ivo, der internationale Tanzstar, gefeierte Choreograf, ImPuls Tanz-Mitbegründer, Ex-Direktor der Tanzbiennale von Venedig, präsentiert sich bei ImPuls Tanz 2016 mit „Nachstücken“. Er beschwört Szenarien von Angst, Verlorensein, Verzweiflung und Untergang.
In diesen Bildern des Ausgestoßenseins, die an JeanPaul Sartres „Sein und das Nichts“erinnern, steht der menschliche Körper als Symbol im Mittelpunkt. Ivo macht sich daran, den Körper zu „vermessen“, prüft seine Leidensfähigkeit – immer ist der Körper Ziel von Aggression, Manipulation, Auseinandersetzung und Krieg. Das zeigte er zum
Wochenende im Volkstheater mit seinem fast bedrückenden Solo „Discordable – Bach“. Und das bestimmt auch das große Werk „Black/Out“, ein Stück des Untergangs, inspiriert von Géricaults Gemälde „Das Floß der Medusa“, das er zum ImPuls-Finale am 13. August im Arsenal vorstellt.
„Discordable Bach“ist eine düster bedrückende Vision, die er auf einer minimalistisch leeren Bühne tanzt. Dimos Goudaroulis sitzt allein unter einem Lichtspot und spielt auf seinem kostbaren Barockcello Bachs 2. und 5. Cellosolo-Suite. Intensiv, Stücke, die von gestörter Harmonie und Verstörung künden.
Ivo hat – wie stets – bildmächtige, verstörende Szenen erdacht, die er mit Leidenschaft tanzt: Wenn er, angehängt an einem Seil, mit dem Kopf nach unten, auf die Bühne schwebt, sozusagen vom Himmel fällt, wenn er in einem Sandstrahl – einer Sanduhr, die zeigt, wie die Zeit davonläuft? – badet, sich als Opfer blutend (von Revolution und Krieg?) aus der Badewanne erhebt – dann wird das Ritual erkennbar. Ein Ritual um Leiden und Erlösung des menschlichen Körpers. Der niederprasselnde Sandstrahl erinnert dann an einen Baum der Hoffnung . . .