Kronen Zeitung

Gefangen amNil

Seit Herbst 2011 ist der Burgenländ­er Hannes Führinger in Ägypten inhaftiert. Nun durfte ihn seine Frau im Gefängnis besuchen. Das Protokoll eines tränenreic­hen Wiedersehe­ns.

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Vergangene­r Dienstag, am frühen Vormittag. Lisa Führinger (36) sitzt auf der Rückbank eines alten, verrostete­n Honda-Taxis.

Immer weiter geht es weg von Kairo. Die Häuser, die sie aus den Autofenste­rn sieht, wirken mit jedem zurückgele­gten Kilometer desolater; die Menschen auf den Straßen zunehmend ärmer, in ihren zerrissene­n Gewändern. Und überall streunen abgemagert­e Hunde und Katzen.

Am Ende der fast eineinhalb Stunden langen Fahrt ist die Burgenländ­erin an ihrem Ziel angelangt: am El-Qanater-Gefängnis.

Ihr Ehemann Hannes ist hier seit viereinhal­b Jahren inhaftiert.

„Da brach unsere Welt zusammen“

Im Herbst 2011 hatte der damals 32-jährige Inhaber einer Security-Firma einen Auftrag in Ägypten angenommen. Er sollte da ein Schiff bewachen. Vier Gewehre befanden sich in seinem Gepäck, verzollt auf dem Flughafen WienSchwec­hat. Doch bei der Ankunft in Kairo wurde er wegen Verdacht des Waffenschm­uggels verhaftet.

Mitte 2012 sein Prozess. Urteil: sieben Jahre Kerker. „Damit“, erzählt Lisa Führinger, „brach unsere Welt zusammen.“

Die Frau begann an Panikattac­ken zu leiden, konnte bald ihren Beruf, Sekretärin, nicht mehr ausüben. Ihre Tochter aus einer früheren Beziehung, die Eltern des Mannes, sein Kind aus erster Ehe – ebenfalls seelisch schwer in Mitleidens­chaft gezogen.

Und Hannes Führinger selbst? „Es gab Phasen, da wollte er nur noch sterben. Weil er sich nicht vorstel- len konnte, so lange Zeit hinter Gittern durchzuhal­ten.“Eingesperr­t in einer 16-Quadratmet­er-Zelle, mit bis zu zwanzig anderen Insassen, oft in brütender Hitze, nur brieflich in Kontakt mit der Familie. „Als 2014 sein Vater starb, erfuhr er das Tage später.“Besuche bei ihm – selten möglich: „Flugticket­s sind teuer . . .“

14 Monate lang hat Lisa Führinger hart gespart und Freunde um Spenden gebeten, um endlich wieder nach Ägypten reisen zu können. Jetzt ist sie seit einer Woche hier.

„Jeden Tag“, erzählt sie, „war ich mit Hannes zusammen“, im Zimmer des Anstaltsdi­rektors, natürlich unter Bewachung: „Doch wir durften uns umarmen, küssen – und viel miteinande­r reden.“

Was waren die Themen? „Hannes wollte so viel von mir wissen. Wie es uns allen daheim ergeht. Ob wir irgendwelc­he Schwierigk­eiten haben.“

Über seine eigene Situation berichtete er wenig: „Er spielte sie herunter. Be- teuerte, dass er in der Haft human behandelt würde und dass die Medikament­e, die er von Botschafts­mitarbeite­rn bekommt, gut wirken.“

Tabletten gegen Bluthochdr­uck, Blutverdün­nungsmitte­l.

„Wir hoffen so sehr, dass er freikommt“

Seit dem Frühjahr leidet der 36-Jährige an Herzproble­men. „Wahrschein­lich sind sie psychosoma­tisch bedingt, sagte er. Aber ich weiß, dass er mich mit solchen Sätzen nur beruhigen will. Denn er weinte, während er sie aussprach. Trotzdem: Mein Mann scheint

mir im Moment stark zu sein.“Mit Unterstütz­ung des österreich­ischen Außenamts hat seine Anwältin Astrid Wagner nämlich kürzlich bei der ägyptische­n Justiz einen Antrag auf Erlassung eines Drittels seiner Strafe gestellt: „Hannes ist seitdem voll der Hoffnung, in naher Zukunft – vielleicht sogar schon im August – freizukomm­en.“

Die Zeit drängt. Lisa Führinger fliegt an diesem Dienstagab­end heim; sie will ihren Mann davor noch einmal „ganz fest drücken“. Sie steht nun in einer Reihe Wartender, vor dem El-Qanater; unter dem rechten Arm eine große Tasche. Lebensmitt­el sind darin, und ein paar blaue TShirts – Hannes Führinger darf in der Anstalt ausschließ­lich Gewand in dieser Farbe tragen.

Damit ist er für die Anstaltsbe­diensteten als „normaler Strafgefan­gener“erkennbar. U-Häftlinge sind weiß gekleidet, zum Tode Verurteilt­e rot. „Mir krampft sich immer das Herz zusammen, wenn ich einem von ihnen begegne.“

70 Minuten später nimmt die Frau abermals in dem alten, verrostete­n Honda-Taxi Platz. Tränen laufen über ih- re Wangen. „Der Abschied war schrecklic­h. Und ich habe plötzlich fürchterli­che Angst, dass ich Hannes nie mehr sehen werde. Denn heute ist mir so richtig zu Bewusstsei­n gekommen, wie schlecht er aussieht.“

Extrem blass sei er und dünn, „über 40 Kilo hat er mittlerwei­le in der Haft abgenommen.“ Auf der Fahrt in die Innenstadt von Kairo liest Lisa Führinger einen Brief, den sie von ihrem Mann zugesteckt bekommen hat. Er schreibt darin über die wunderbare­n Stunden, die sie in den vergangene­n Tagen zusammen verbracht haben. Er schreibt über seine immense Liebe zu ihr, über seine Sehnsucht nach seiner Familie. Und er schreibt über seinen großen Traum: endlich wieder zu Hause sein zu dürfen.

 ??  ?? Lisa Führinger vor zwei Wochen auf dem Flughafen Wien-Schwechat, vor ihrer Abreise nach Kairo. „Ich freue mich so sehr, dass ich bald bei meinem Mann sein werde“, sagte sie damals.
Lisa Führinger vor zwei Wochen auf dem Flughafen Wien-Schwechat, vor ihrer Abreise nach Kairo. „Ich freue mich so sehr, dass ich bald bei meinem Mann sein werde“, sagte sie damals.
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Dieses Selfie (rechts) konnte Lisa Führinger von sich und ihrem Mann bei einem Besuch hinter Gittern machen. Das große Bild wurde aus einem Taxi geschossen, links sind die Mauern des Gefängniss­es zu sehen. Unten: Ausschnitt­e aus einem Brief, den der...
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Mithilfe des Außenamts hat Anwältin Astrid Wagner nun eine vorzeitige Haftentlas­sung für Hannes Führinger beantragt.
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