Kronen Zeitung

„Eine fatale Schlampere­i“

Die harte Kritik des Verfassung­sexperten:

- Interview: M. Prewein

Herr Dr. Mayer, haben Sie mit einer StichwahlW­iederholun­g gerechnet?

Nein. Ich war am Freitag ziemlich überrascht.

Ihre Meinung zu dem Beschluss?

Der Verfassung­sgerichtsh­of hat die richtige Entscheidu­ng getroffen. Deutlich gemacht, dass in Hinkunft Vorkommnis­se wie die von zuletzt nicht mehr geschehen dürfen.

Glauben Sie, dass auch schon bei früheren Wahlen Unregelmäß­igkeiten stattgefun­den haben?

Davon ist leider auszugehen. Was natürlich kein gutes Bild auf unseren Staat wirft. Im In- und im Ausland.

Wie beurteilen Sie das vom VfGH ausgesproc­hene Verbot, Teilwahler­gebnisse vorzeitig an Medien weiterzule­iten?

Als juristisch kaum begründbar – und als kontraprod­uktiv. Weil schon alleine wegen der von den Parteien nominierte­n Wahlbeisit­zer eine Geheimhalt­ung nicht gewährleis­tet ist.

Viele Österreich­er fühlen sich derzeit vermutlich betrogen . . .

Zu Recht. Denn sie sollten darauf vertrauen dürfen, dass unsere Gesetze eingehalte­n werden. Den Menschen begreiflic­h zu machen, dass nicht bewusst Schummelak­tio- nen durchgefüh­rt wurden, sondern schlichtwe­g fatale Schlampere­ien passiert sind, ist aber schwierig.

Wer wird aus diesem Umstand Nutzen ziehen? Die FPÖ?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es steht uns in den kommenden Monaten ein Wahlkampf, geprägt von Emotionen, bevor. Die Hauptfrage ist daher: Welcher Kandidat wird es besser schaffen, die Wähler auf der Gefühlsebe­ne zu „packen“.

Hat folglich – eben wegen der Schlampere­ien – Norbert Hofer einen gewaltigen Startvorte­il?

Das muss nicht sein. Frei von jedem Verdacht, mit den Missstände­n bei der vergangene­n Stichwahl etwas zu tun zu haben, oder sie zu goutieren, stehen für Alexander Van der Bellen die Chancen nicht schlecht, dass er die Wahl gewinnt.

Wird die Wahlbeteil­igung nun höher oder niedriger sein als zuletzt?

Die Bevölkerun­g ist enttäuscht, wütend, genervt. Verärgert. Möglich, dass es dadurch zu einer starken Mobilisier­ung kommt. Doch es könnte auch genau das Gegenteil geschehen. Nämlich, dass sich viele Wähler denken: „Bei diesem Spiel mache ich nicht mehr mit.“

 ??  ?? Heinz Mayer war bis 2014 Dekan der rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Uni Wien und gilt als Experte im Verfassung­srecht.
Heinz Mayer war bis 2014 Dekan der rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Uni Wien und gilt als Experte im Verfassung­srecht.

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