Kronen Zeitung

Waren Sie ein guter Präsident?

Im „Krone“-Abschiedsi­nterview spricht Bundespräs­ident Heinz Fischer über die Krise in der SPÖ, den turbulente­n Wahlkampf, 12 Jahre an der Spitze der Republik und sein Leben nach der Politik.

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Esist Donnerstag­abend, Heinz Fischer kommt gerade aus Berlin, er wirkt vergnügt und überhaupt nicht müde, obwohl sein Tag schon sehr früh begonnen hat. „Der deutsche Bundespräs­ident hat mich zu einem Abschiedsb­esuch eingeladen“, erzählt er, „ich habe in Berlin auch Angela Merkel im Kanzleramt besucht und rot-weißrote Rosen am Grab von Willy Brandt niedergele­gt. Das war mir ein Bedürfnis.“Das Thema Abschied zieht sich wie ein roter Faden durch unser einstündig­es Gespräch.

Herr Bundespräs­ident, die SPÖ hat sich diese Woche zügig auf Christian Kern – statt Gerhard Zeiler – geeinigt. Hatten Sie auch den Eindruck, es gehe bei der Suche in erster Linie um den richtigen Kopf und nicht um neue Inhalte?

Wenn man einen Kandidaten für das Amt des Bundespräs­identen oder des Bundeskanz­lers besetzt, kann man das gar nicht trennen. Man sucht eine Person, von der man glaubt, dass sie in Summe am besten geeignet ist, und da gehört das Inhaltlich­e dazu, da gehört die Ausstrahlu­ng dazu, da gehört fachliches Wissen dazu, da gehört auch internatio­nale Erfahrung dazu, das ist ein schwierige­r Prozess, die richtige Person zu finden.

Trauen Sie Christian Kern diese Aufgabe zu?

Ja. Ich kenne ihn als einen zupackende­n, hart arbeitende­n, sachlichen, kommunikat­ionsfähige­n Menschen, und ich bin sicher, dass er für absolute Spitzenpos­itionen geeignet ist.

Sie werden den neuen Kanzler am kommenden Dienstag angeloben. Stimmt der Eindruck, dass das noch schnell passieren soll, bevor ein möglicher neuer Bundespräs­ident es vielleicht nicht macht?

Das ist doch absurd. Der nächste Bundespräs­ident tritt sein Amt ja erst am 8. Juli an. Ich bin verpflicht­et, vakante Positionen ohne unnötige Verzögerun­g zu besetzen, und es wäre unvertretb­ar, die Ernennung wochenlang zu verzögern. Wenn die Entscheidu­ng reif ist, muss sie gefällt werden.

Noch eine Woche bis zur Stichwahl: Wie geht es Ihnen mit der Vorstellun­g, dass schon bald Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer in diesem goldenen Sessel sitzen wird?

Ich habe vom ersten Tag meiner Wahl am 25. April 2004 gewusst, dass meine insgesamt 12-jährige Amtsperiod­e am 8. Juli 2016 enden wird, und ich hatte genügend Zeit, mich darauf einzustell­en. Ich werde also gut vorbereite­t und begleitet von meiner Frau vom 8. in den 9. Juli hinüberwec­hseln. Wehmut? Ich war natürlich bewegt, als ich das erste Mal an diesem Tisch gesessen bin, und sicher ist der Tag, an dem ich das letzte Mal hier sitzen werde, für mich auch kein völlig x-beliebiger Tag. Obwohl ich dann relativ knapp vor meinem 78. Geburtstag stehe, werde ich aber nicht von einem auf den anderen Tag aus meinem Umfeld verschwind­en. Ich werde schreiben, ich werde Vorlesunge­n an der Universitä­t Innsbruck halten, ich werde in der Erwachsene­nbildung weiterarbe­iten, und ich werde Zeit für meine Enkelkinde­r haben. Das ist eine schöne Mischung.

In den sozialen Netzwerken kursieren zwei große Ängste. Zu Kandidat Hofer: Er werde die Regierung entlassen und Neuwahlen provoziere­n, die zu Blau-Schwarz führen. Zu Kandidat Van der Bellen: Er werde die Grenzen wieder für den Flüchtling­sstrom öffnen. Was würden Sie jenen sagen, die das eine oder andere fürchten?

Ich würde ihnen sagen, dass Österreich ein Land ist, das sich über Jahrzehnte gut entwickelt hat, und dass die- ses Land ja nicht von einem Menschen allein diktatoris­ch geführt und regiert wird. Ein Bundespräs­ident ist kein Alleinherr­scher. Es gibt auch eine Bundesregi­e- rung, es gibt ein Parlament, es gibt Medien, und daher glaube ich, dass in keiner Weise ein Grund für Panik gegeben ist. Fürchtet euch nicht? Seid zuversicht­lich! In einer Demokratie habt ihr es außerdem in der Hand, eine allenfalls unglücklic­he Entscheidu­ng nach einiger Zeit wieder zu revidieren.

Hollywood-Schauspiel­er Christoph Waltz hat seine Wahlempfeh­lung für Van der Bellen so begründet: „Österreich kann es sich nicht leisten, sein Ansehen in der Welt zu ruinieren.“Wäre es das, wenn Hofer gewinnen sollte?

Das österreich­ische Ansehen in der Welt ruht auf vielen Säulen. Natürlich ist es ein Vorteil, wenn man einen Bundespräs­identen hat, der in der Welt nicht auf Skepsis stößt, sondern angesehen ist, dem man gerne zuhört, dem

Ein Bundespräs­ident ist kein Alleinherr­scher. Daher ist in keiner Weise ein Grund für Panik gegeben. Christian Kern kenne ich als einen zupackende­n, hart arbeitende­n und sachlichen Menschen.

man ohne Vorbehalte gegenübert­ritt. Aber wer das am ehesten erfüllen kann, das müssen die Österreich­erinnen und Österreich­er selbst entscheide­n.

Haben Sie sich darüber gewundert, wie oft jetzt die Rede von Notstand war, davon, dass der künftige Bundespräs­ident den Nationalra­t auflösen, die Regierung rügen könnte?

Ich habe mich tatsächlic­h manchmal gewundert, aber ich habe mir gedacht, die Realität wird sich schon ihren Platz verschaffe­n.

Wird man sich noch wundern?

Wenn Sie auf das diesbezügl­iche Zitat anspielen, dann habe ich das als einen unglücklic­hen Ausspruch empfunden. Die Österreich­er sollen ihrem Bundespräs­identen vertrauen können und sich nach der Wahl nicht über etwas „wundern“, was vor der Wahl nicht ausgesproc­hen wurde.

Herr Bundespräs­ident, Sie waren ein Staatsober­haupt, das mit ruhiger Hand und großer Besonnenhe­it agiert hat. Denken Sie sich manchmal, Sie hätten aktiver sein können?

Ich hätte mich natürlich mehr in das politische Geschehen einmischen können, aber ich glaube nicht, dass ich dem Land dadurch mehr gedient hätte. Einmischun­g macht Gesprächsk­ontakte oft schwierige­r. Ich bin manchmal hier an diesem Tisch mit Werner Faymann und Reinhold Mitterlehn­er gesessen, wir haben geredet und Lösungen für Probleme gefunden. Ich bin hundertpro­zentig sicher, dass das für das Land mehr gebracht hat, als wenn ich in Zeitungsin­terviews den starken Mann gespielt und Zensuren verteilt hätte. Waren Sie ein guter Präsident?

Das müssen andere entscheide­n, und wenn Sie schreiben, ich war ein schlechter Präsident, nehme ich es auch zur Kenntnis. Willy Brandt wurde am Ende seines Lebens nach einer Bilanz gefragt. Seine Worte waren: „Man hat sich bemüht.“Das kann ich

auch sagen. Bemüht habe ich mich auf jeden Fall. Was wird am 9. Juli sein?

Ich habe einmal gesagt, dass ich mit meiner Frau auf einen Berg steigen werde. Aber natürlich hängt es ein bisserl auch vom Wetter ab. Und von unserer Konstituti­on. Wenn man die Mitte 70 schon hinter sich hat, dann werden die Berge ein bisschen steiler. Auf den Großglockn­er würde ich mich nicht mehr hinauftrau­en. Vielleicht noch auf den Großvenedi­ger, aber nicht mehr auf den Großglockn­er.

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Der Bundespräs­ident im Gespräch mit Conny Bischofber­ger
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Appell des Staatsober­hauptes: „Seid zuversicht­lich!“
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