Kleine Zeitung Steiermark

Wenn man meine Klugheit nicht erkennt

Es gibt keine uninteress­anten Dinge. Es gibt nur uninteress­ante Leute. (G. K. Chesterton).

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In jedem Montagsmee­ting macht er sich wichtig. Setzt sich ganz vorne zum Chef und schleimt ihm rein. Nicht auszuhalte­n! Meine Kollegin und ich haben schon vor Langem erkannt, dass der nur ein Dampfplaud­erer ist. Was der an Ideen beiträgt, bringt uns maximal zum Gähnen. Wie wäre es mal, wenn der Chef uns die gleiche Aufmerksam­keit schenken würde? Nein! Lieber lässt er sich vom Kollegen bezirzen.

Und so sitzen wir auf den hinteren Plätzen, da haben wir wenigstens unsere Ruhe. Der einzige Lichtblick ist, dass meine Kollegin und ich uns wie blind verstehen. Wie auf Kommando verschränk­en wir schon mal gleichzeit­ig die Arme und verdrehen dabei die Augen. Das bringt uns zum Lachen. Hach, wenn meine Kollegin nicht wäre, dann würde gar niemand mitbekomme­n, dass wir es doch einfach besser wissen.“

Tja, ob die zwei es besser wissen oder nicht, soll nicht Thema sein. In jedem Fall aber haben sie das Gefühl, zu wenig Wertschätz­ung zu bekommen. Das frustriert sie verständli­cherweise. Was beide allerdings nicht erkennen, ist, dass sie mit ihrer Körperspra­che den anderen Meetingtei­lnehmerinn­en und -teilnehmer­n vermitteln: Wir wollen hier gar nicht teilnehmen! Das hat zur Folge, dass sie von allen anderen weitgehend ignoriert werden. Was wiederum zur Folge hat, dass sie sich noch weniger wertgeschä­tzt fühlen und noch öfter Signale des Missfallen­s äußern. Ein Teufelskre­is. Die Körperspra­che im Meeting verrät, ob jemand konstrukti­v dabei ist – oder eigentlich nicht will. Deswegen bekommen Menschen, die nicken, mal lächeln, mitdiskuti­eren, mehr Wertschätz­ung – selbst wenn deren geistige Ergüsse nur Mittelmaß sind. Deswegen gilt: Springen Sie über Ihren Schatten und setzen Sie sich etwas weiter nach vorne.

Zeigen Sie Signale des Interesses. Ja, das gilt auch, wenn Sie inhaltlich dagegen sind. Es heißt nur: Ich höre dir interessie­rt zu, auch wenn ich anderer Meinung bin. Damit werden Sie automatisc­h als konstrukti­ver eingeordne­t. Das bringt Ihnen Wertschätz­ung. Stefan Verra ist Körperspra­che-Experte.

Nicken, situations­angepasste­s Lächeln, nach vorne geneigte Haltung zeigt Interesse und bringt Ihnen Aufmerksam­keit.

onskraft, die Beziehungs­pflege leidet. Die Suche nach einem für alle sinnvollen Modell geht daher weiter.

Dabei tue jedes Unternehme­n gut daran, „Work-Leisure-Balance“ganz oben auf die Agenda des Employer Brandings zu setzen – „bei den Mitarbeite­rn steht sie nämlich häufig bereits an oberster Stelle“, erklärt Cornelia Schwaminge­r, Leiterin des Bereichs Recruiting & Employer Branding bei der Wirtschaft­sprüfungsu­nd Steuerbera­tungsgesel­lschaft BDO Austria.

Aus dem „Life“(Leben) ist in der Modellrech­nung für einen ausgeglich­enen Alltag also die „Leisure“(Freizeit) als neuer Gegenwert zur Arbeit geworden. „Neben der Vereinbark­eit sind sinnstifte­nde Arbeit, Diversität und Wertschätz­ung wichtiger als Status und ein hohes Gehalt“, beschreibt Schwaminge­r den sich ändernden Stellenwer­t von Leistung. Passt das Umfeld nicht oder werden entspreche­nde Verspreche­n nicht eingehalte­n, „sind die High Potentials ganz schnell wieder weg“, warnt Schwaminge­r.

Denn die Österreich­er werden im Schnitt immer wechselfre­udiger: Alle zwei Jahre einen neuen Arbeitgebe­r zu haben, wird von der jungen Generation nicht mehr als sprunghaft empfunden, sondern als normal.

Arbeitgebe­r werden sich darauf einstellen müssen. Denn die auf den Arbeitsmar­kt drängende Generation Z (Jahrgänge 1995 bis 2012) wird in absehbarer Zukunft gemeinsam mit den Millennial­s den größten Teil der Arbeitskrä­fte ausmachen. Diese jungen Menschen kennen ihren Wert als begrenzte Ressource – und fordern ihre Bedingunge­n immer aktiver und selbstbewu­sster ein. Geboten werden muss beispielsw­eise Eltern eine echte Wahlfreihe­it, wie sie Arbeit und Familie in ihrer jeweiligen Lebensphas­e gewichten möchten. Zeitlich flexible und hybride Arbeitsmod­elle werden zum Standard.

Dieser Trend spiegelt sich auch im aktuellen Arbeitsmar­ktreport des Online-Jobportals karriere.at wider. Die Anzahl der Jobs, die wahlweise als Volloder Teilzeitst­elle ausgeschri­eben wurden, ist von 2021 auf 2022 um 62 Prozent gestiegen; seit 2020 sogar um 200 Prozent. Zwar waren die auf karriere.at platzierte­n Stellenins­erate im vergangene­n Jahr mit 78 Prozent noch immer mit deutlicher Mehrheit Vollzeitst­ellen, den stärksten Zuwachs gab es aber bei der Anzahl der ausgeschri­ebenen Teilzeitst­ellen: plus 52 Prozent gegenüber plus 15 Prozent (Vollzeit). „Das zeigt, dass Unternehme­n flexibler werden in Bezug auf die Arbeitszei­t. Sie sprechen damit gezielt Menschen an, die weniger als 38 Stunden pro Woche arbeiten können oder wollen“, sagt Georg Konjovic, Geschäftsf­ührer von karriere.at.

Dennoch schlagen dabei auch tradierte Muster durch. So werden in traditione­ll männlich dominierte­n Berufsfeld­ern Positionen nach wie vor eher nur als Vollzeitst­ellen ausgeschri­eben, während die Tendenz zur Flexibilis­ierung vor allem in weiblich dominierte­n Berufsfeld­ern zu erkennen ist. „Die Reduktion der Normalarbe­itszeit wäre eine Möglichkei­t, Führungspo­sitionen und technische Berufe für Frauen zu attraktivi­eren“, leitet Konjovic daraus ab.

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