Kleine Zeitung Steiermark

Warum sollte man mich aus dem Verkehr ziehen?

- Hans Winkler

Ä ltere Leute führen heute, soweit sie können, ein „normales“Leben: mit Bewegung, Unterwegss­ein, Sport, Reisen, Fahrten zum Supermarkt. Dazu haben sie auch ein Auto. Wenn man es ihnen wegnimmt, werden sie zu Betreuungs­fällen für ihre Kinder und Enkel, denn diese werden ihnen dann jene Möglichkei­ten schaffen müssen, die ihnen das eigene Auto garantiert hatte.

Ich bin 79 und habe zwei Wohnsitze. Jeder in dieser Situation weiß, dass man die Strecke in beiden Richtungen immer mit vollem Auto fährt. Wer bringt mich zum Wochenendh­aus meiner Tochter im Wienerwald, das weit weg von jedem öffentlich­en Verkehr liegt? Wie komme ich um fünf Uhr in der Früh von Graz zum Bodenbauer, wenn ich auf den Hochschwab gehe? Dasselbe im Winter: Es gibt nur zu wenigen Ausgangspu­nkten von Skitouren öffentlich­e Verkehrsve­rbindungen. Und wie komme ich im Sommer zu unserem Ferienort in Kroatien – mit viel Gepäck, weil ich dort sechs Wochen bleibe?

Es gibt auch den Fall, dass einer von zwei Eheleuten Auto fahren kann, der andere aber wegen eingeschrä­nkter Beweglichk­eit oft auf Transport angewiesen ist. In der Stadt und außerhalb. Soll so jemand kein Anrecht auf einen Spaziergan­g in der Natur haben?

„Geht alles auch anders“, wird mir gesagt. „Mit dem Taxi und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.“Selbstvers­tändlich geht es auch anders. Aber alles würde ungeheuer mühsam und komplizier­t, denn die unmittelba­re Verfügbark­eit ist ja der größte Vorteil des eigenen Autos.

Nehmen wir zwei 90-jährige Männer, Freunde von mir. Der eine geht sehr schwer und am Stock. Er fährt aber, wenn er einmal drinnen sitzt, problemlos Auto – ziemlich flott übrigens. Der andere ist gesund, beweglich und so geistesgeg­enwärtig, dass er schriftste­llerisch tätig sein kann. Auch er fährt Auto, wenngleich für meinen Geschmack etwas langsam, aber so kommt er schon 70 Jahre gut durchs Leben und den Verkehr, ohne sich oder andere zu gefährden. oll man mich und die beiden aus dem Verkehr ziehen? Wem wäre damit geholfen? Nach der Statistik sind wir die sichersten Fahrer.

lebt als Journalist in Wien.

„Geht alles auch anders, wird mir gesagt. Selbstvers­tändlich geht es auch anders. Aber alles würde ungeheuer mühsam und komplizier­t.“

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