Knochenjob Pandemie-Politiker
Es ist eine bemerkenswerte Liste an Belastungen, die Rudolf Anschober am Dienstag in seiner Rücktrittsrede aufgezählt hat: „Ich habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet. Es hat keinen einzigen wirklich freien, völlig entspannten Tag gegeben – und ich habe mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet“, so der
Minister – ein Arbeitspensum, das ihn letztlich überfordert und zu seinem Rücktritt geführt hat.
Neu sind solche Phänomene nicht: Auch 2017 sprach Eva Glawischnig – „nur“Parteichefin, nicht Ministerin – bei ihrem Rückzug aus der Politik von einer „Notbremse“: „Es hat körperliche Warnsignale gegeben, die ich ernst nehmen muss“, so Glawischnig in ihrer Abschiedsrede. „Zudem hat mich das Wissen, dass eine Spitzenfunktion in der Politik 24 Stunden Verfügbarkeit bedeutet, zu diesem Schritt bewogen.“
Minister zu sein ist kein Spitzenjob wie jeder andere: Es gibt keinen Arbeitnehmerschutz, keine fixen Arbeitszeiten, keinen Urlaub. „Die wenigsten haben die Härte, wirklich abzu
wenn sie sich einmal ein paar Tage freinehmen“, sagt Heimo Lepuschitz, der – heute PR-Berater – in den Kabinetten mehrerer BZÖ- und FPÖMinister gearbeitet hat.
Ursula Haubner beispielsweise, Anschobers Amtsvorgängerin in der schwarz-orangen Regierung unter Wolfgang Schüssel, sei regelmäßig um 6.30 Uhr ins Amtsgebäude am Stubenring gekommen und nie vor 22, 23 Uhr gegangen.
Vieles sei mit der digitalen Arbeitsweise einfacher geworden, sagt Lepuschitz, man müsse nicht mehr dauernd im Büro sein – aber eben um den Preis ständiger Erreichbarkeit.
Und: „Es will dauernd jemand etwas.“Minister seien einer Vielzahl an Anliegen ausgesetzt, von Ländern, Interessensgruppen, Journalisten oder Parscheidende teifreunden, die sich mit mehr oder weniger berechtigten Anliegen an die Spitzenpolitiker wenden.
Spitzenpolitiker zu sein ist schon unter normalen Umständen ein stressiger Job – in der Pandemie die Macht des riesigen Gesundheitsressorts zu führen, noch mehr.
Wie man dieser Dauerbelastung Herr wird, hängt stark von der Persönlichkeitsstruktur und der Organisation des Teams ab: Wer sich auf ein Kabinett verlassen kann und ein gutes Verhältnis zur Beamtenschaft pflegt (wo diese vorhanden ist, anders als in Anschobers Ministerium bei seinem Amtsantritt, wo es etwa keinen Generaldirektor für öffentliche Gesundheit gab), kann viel delegieren.
Wer sich aber umgekehrt in Details involviert und jede Presseaussendung persönlich redigiert, „der wird sich irgendwann aufreiben“– besonders in dem riesigen Gesundheits- und Sozialministerium mit Zustänschalten,
Andrea Mayer