Kleine Zeitung Steiermark

Wer nervös ist, macht Fehler

Die Justiz kommt höchsten Regierungs­kreisen mit ihren Korruption­sermittlun­gen immer näher. Bemerkensw­ert – wie auch die Nervosität, mit der die ÖVP darauf reagiert.

-

Gestern, der 25. Februar 2021, könnte als Zäsur in die österreich­ische Justizgesc­hichte eingehen. Staatsanwä­lte unterschie­dlicher Behörden sind in zwei Ministerie­n, in das Bundesrech­enzentrum und in den Verfassung­sgerichtsh­of marschiert, haben Akten, Handys und einen Laptop beschlagna­hmt – unter anderem von einem Ex-Justizmini­ster und Höchstrich­ter sowie von dem höchsten Strafrecht­sbeamten der Republik.

Das sind harte, öffentlich­keitswirks­ame Zugriffe, die man als starkes, positives Zeichen sehen kann: dafür, dass die Ankläger tatsächlic­h ohne Scheu ermitteln, dass Prominenz und gute Vernetzung in Regierungs­kreise nicht, oder zumindest: nicht mehr, vor Verfolgung schützen.

Anderersei­ts bergen solche Maßnahmen ein hohes Risiko: Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass eine Polizeiein­heit auf Geheiß der Korruption­sstaatsanw­altschaft das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g gestürmt hat – zu Unrecht, wie sich später herausgest­ellt hat, ein bloßes Amtshilfee­rsuchen hätte gereicht, später Richter.

Passiert das abermals, stünden die Staatsanwä­lte schnell als unüberlegt­e Hitzköpfe da – was dem Vertrauen in diesen essenziell­en Teil der Justiz schaden würde. Stellt sich dagegen heraus, dass ihr Verdacht zutrifft – wer weiß, was sich auf den beschlagna­hmten Telefonen findet? –, könnte Österreich vor einer harten Abrechnung mit der trügerisch­en Grenze zwischen verhaberte­m Freunderlt­um und echter Korruption stehen.

Wbeschiede­n as in diesen angespannt­en Tagen ebenfalls ins Auge sticht: die Unsouverän­ität, mit der die ÖVP reagiert. Seit der Hausdurchs­uchung bei Finanzmini­ster Blümel ist die Partei – mit einer unangefoch­tenen Mehrheit eigentlich am Gipfel der Macht – völlig von der Rolle. Unsachlich­e Attacken auf die Korruption­sjäger, der „Falsche Fakten“Brief des Kanzlers, gestern eine Aussendung, in der statt der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Wien abermals die WKStA angegangen wird: entweder die Partei versagt gerade völlig in ihrer Kommunikat­ion oder sie ist nervös, was die Ermittlung­en noch alles zutage fördern. as betrifft nicht nur die PR, sondern auch die politische Arbeit. In letzter Zeit hat die ÖVP mehrere Vorschläge gemacht, über die man in ruhigeren Zeiten durchaus nachdenken könnte und sollte: wie man die WKStA umorganisi­eren könnte oder ob es nicht verboten werden sollte, aus Ermittlung­sakten zu zitieren.

Es gibt zu diesen Fragen gute Argumente auf allen Seiten – aber sie just jetzt, als Folge der näher kommenden Einschläge, auf die Agenda zu setzen, ist politisch schlicht unprofessi­onell: Natürlich können die anderen Parteien, besonders die Grünen, in dieser Lage nicht anders, als zu sagen: „Mit uns nicht, ihr wollt nur eure Haut retten.“

Das alles zeigt: Wer nervös ist, macht Fehler – und das ist gerade in der Krise, die parallel unentwegt weiterläuf­t, fatal.

D

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria