Kleine Zeitung Steiermark

Jochen Rindt – Österreich­s erster Held

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Er hat den Glauben an die Geschwindi­gkeit, das Mantra

des schnellen Rundendreh­ens, den Benzinspor­t nach Österreich gebracht, wurde eines seiner ersten Idole und berühmtest­en Opfer: Jochen Rindt. Eine Würdigung von Schriftste­ller

Franzobel

pen, hübsche Mädchen, Boxenluder, die heute schon aus Gründen der politische­n Korrekthei­t inakzeptab­el wären. Eine andere Zeit. Bereits mit Lauda wurde der Rennsport berechnend­er, mit Schumacher hinterlist­iger und mit Hamilton langweilig­er. Aber Jackie Stewart, Jacky Ickx, Emerson Fittipaldi waren noch Raubtiere, denen man nach Siegen traktorrei­fengroße Lorbeerkrä­nze umhängte. Und angeführt wurde das Rudel von Jochen Rindt, der mit seiner assyrische­n Nase aussah wie ein Adeliger, der beim Boxen eine auf den Zinken bekommen hatte. er verwaiste Sprössling einer Gewürzmühl­endynastie besuchte das von Wilhelm Höttl gegründete Privatgymn­asium in Bad Aussee, wo auch Helmut Marko, André Heller oder andere verhaltens­auffällige Schüler zur Matura getragen wurden. Nach dem

DAbschluss verkaufte Rindt sein Erbe, um sich ganz dem Rennsport zu widmen. Er fuhr in motorisier­ten Seifenkist­en, siegte sich nach oben. 1965 gewann er 23-jährig gegen die großen Werkteams von Ford und Ferrari das 24-Stunden-rennen von Le Mans, ein Jahr später bezwang er in seinem erst zweiten Formel-2-rennen Graham Hill, worauf er in englischen Zeitungen als unbekannte­r Australier gefeiert wurde. Eigentlich war er ja Deutscher, aber da er seit frühester Kindheit in Graz lebte, fuhr er mit österreich­ischer Resilienz, nein, Rennlizenz, wurde, auch wenn in seinem Motor kein Kernöl war und er nicht steirisch bellte, als Beuteöster­reicher eingeheims­t. In allen Klassen sah die Konkurrenz nur seinen Auspuff. Bloß in der Formel 1 schien es nicht zu klappen. Ein britischer Motorjourn­alist verwettete sogar seinen Rauschebar­t, dass

Rindt trotz unbestritt­enen fahrerisch­en Könnens nie ein Rennen gewinnen würde. 1969 in Watkins Glen war es um den Bart geschehen und 1970 sollten fünf weitere Grand-prix-triumphe folgen. Rindt hatte sich mit dem Teufel eingelasse­n, der in seinem Fall Colin Chapman hieß und ihn zu Lotus lockte, ins damals schnellste, aber auch gefährlich­ste Auto. Man experiment­ierte mit den Heckflügel­n, die zeitweise aussahen wie eine Mischung aus Sonnensege­l und Gebetstepp­ich. ann die Tragödie von Monza, Rindt wurde erster posthumer Weltmeiste­r und nach Phil Hill, Mike Hawthorn und Giuseppe Farina der Champion mit den wenigsten Rennsiegen. Er hätte ein ganz Großer werden können, ein Jochenator.

Damals sahen die Boliden aus wie Kanus auf Rädern, die Männer trugen Rüschenhem­den,

DKotelette­n bis unter die Achselhöhl­en und Hosen, die bei den Füßen das Ausmaß der Pummerin hatten. Im Umfeld von Jochen Rindt starben Brian Jones, Jimmy Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison – der Club 27, in den er auch gehört, obwohl ein paar Monate zu alt. Durch seinen frühen Tod hatte er keine Gelegenhei­t, seinen Mythos zu verbeulen, konnte er sich nicht als Geizkragen, Frauenprüg­ler, Alkoholike­r oder ähnlich Ungustiöse­s entpuppen. Er musste nicht für Tankstelle­n, Möbelhäuse­r oder Wettanbiet­er Werbung machen, nicht Autorennen cokommenti­eren, in kein Dschungelc­amp, nicht einmal zu den Dancing Stars.

Jochen Rindt blieb unbefleckt von der Seitenblic­kemischpoc­he, unerfasst von der Korrumpier­barmachung des Erfolgs. Sein Leben wurde viel zu schnell abgewunken, aber der Mythos bleibt.

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GETTY IMAGES (4) Nina und Jochen Rindt heirateten 1967. 1968 kam Tochter Natascha zur Welt

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