Zur Person
Wenn, so glaube ich, gehört die Kunst jedenfalls zu den Ersten, die damit beginnen müssten. Es wäre auch politisch nicht ohne Wirkung, wenn wir mehr zweckfreie Kunst hätten, die die Menschen wieder daran erinnert, dass auch sie selbst nicht nur zum Funktionieren auf der Welt sind.
Sie werfen der zeitgenössischen Kunst auch vor, zu stark an der „Wahrheit“interessiert zu sein, wobei die Kunst ja traditionell (von der Oper bis Hollywood) von extremer Künstlichkeit, vom Schein geprägt war. Mittlerweile wird sogar in der Popkultur das „Authentische“behauptet, selbst
Jede Bühne bewirkt eine Fiktionalisierung des Gezeigten. Wenn man einen echten Rokokostuhl auf eine Theaterbühne stellt, wirkt er wie eine billige Kopie. Und wenn man einen Idioten ins Fernsehen stellt, wirkt er, als würde ein guter Schauspieler ihn spielen. Das ist unterhaltsam. Nur nützt es dem Idioten, wie die meisten von ihnen zu spät bemerken, leider nicht.
Die Gesellschaft wird immer formloser und legerer. Das allgegenwärtige Duzen, das Ver
geb. 1962 in Wien, lehrt an der Kunstuniversität Linz. Gründungsmitglied der Wiener Forschungsgruppe für Psychoanalyse „stuzzicadenti“Wichtige Publikationen: „Interpassivität“(2000), „Die Illusionen der anderen“(2002), „Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft“(2008), „Wofür es sich zu leben lohnt“(2011), „Erwachsenensprache“(2017).
Ein formloser Umgang erscheint auf den ersten Blick oft befreiend und zwanglos. Aber das kann täuschen. Ein Chef zum Beispiel, der mich zumindest siezen muss, kann sich mir gegenüber weniger herausnehmen als ein duzender. Und wenn die Menschen im öffentlichen Raum die Form wahren, dann treten sie, wie der amerikanische Soziologe Richard Sennett richtig sagt, theatralisch, gleichsam als Masken,