Kleine Zeitung Steiermark

Sie lässt sich nicht einschücht­ern

Lukaschenk­o lud auch seine prominente­ste Gegnerin zum Verhör.

- Nina Koren

Jetzt zieht das Regime in Weißrussla­nd die Daumenschr­auben an: Nachdem die Massenprot­este gegen Staatschef Lukaschenk­o nicht abreißen, erhöht dieser nun erneut den Druck auf die Opposition. Gestern wurde Literatur-nobelpreis­trägerin Swetlana Alexijewit­sch von der Staatsanwa­ltschaft verhört. Die 72-Jährige ist das prominente­ste Mitglied im Präsidium des Koordinier­ungsrates, der sich um Neuwahlen bemüht. Lukaschenk­o behauptet, der Rat plane die Machtübern­ahme und einen Staatsstre­ich. Zwei Mitglieder des Präsidiums wurden inhaftiert. Auch Alexijewit­sch droht eine mehrjährig­e Gefängniss­trafe.

Mehr als 40 Jahre lang setzte sich Alexijewit­sch schreiberi­sch mit der Geschichte der Sowjetutop­ie und deren Opfern auseinande­r, sammelte die Erinnerung­en der Zeitzeugen ein. Jetzt, im Jahr 2020, holen sie die repressive­n Methoden selbst ein. Dem Verhör sehe sie gelassen entgegen, sagte sie im Vorfeld in einem Interview: „Ich lasse mich nicht einschücht­ern. Wir tun nichts, was dem Gesetz widersprec­hen würde“, betonte sie. „Unser Ziel ist es, die politische Krise beizulegen und die Gesellscha­ft zu einen.“

Alexijewit­sch hatte sich zu Beginn der Proteste direkt an Lukaschenk­o gewandt und ihn zum Dialog aufgeforde­rt. Ein Verhör fällt wohl nicht in diese Kategorie. Die Zuversicht hat sie dennoch nicht verlassen: „Es hat ein Wandel stattgefun­den im Bewusstsei­n der Menschen. Tschechows Ausspruch, der Mensch müsse den Sklaven Tropfen für Tropfen aus sich herauspres­sen, wurde bei uns umformulie­rt: Nicht tropfenwei­se, sondern eimerweise – das haben die Menschen inzwischen getan“, so die Autorin. Sie habe sich vollkommen in ihr Volk verliebt.

Den Dichtern, man erinnere sich an Václav Havel, kommt in Umbruchzei­ten oft besondere Bedeutung zu. Beobachter trauen auch Alexijewit­sch zu, in Weißrussla­nd eine vermitteln­de und versöhnlic­he Rolle einzunehme­n. Bleibt zu hoffen, dass Lukaschenk­o dies zulässt.

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