Bund und Länder: Immer noch ein verrücktes Paar
Ein erfrischender Sammelband zu den vielen Facetten des heimischen Föderalismus.
Ö sterreichs Verfassung wird in diesem Herbst hundert Jahre alt – und kaum je war sie so aktuell wie heuer, zumindest was den Föderalismus angeht, das verschlungene Verhältnis von Bund und Ländern. Die Coronakrise hat mit der großflächigen Anwendung des historischen Epidemiegesetzes das eigentümliche Konzept der mittelbaren Bundesverwaltung ins Scheinwerferlicht gerückt wie nie zuvor: Die Länder sind zwar selbstständig – aber dann doch nicht, wenn ihre Hauptleute zum Beispiel in der Seuchenbekämpfung tätig werden: Dann haben sie sich an die Erlässe und Weisungen des Gesundheitsministers zu halten – was in den kommenden Monaten, etwa in der Aufarbeitung der Katastrophe von Ischgl, noch die interessante Frage aufwerfen wird: Wer ist verantwortlich?
Zufällig just zu diesem Zeitpunkt hat eine junge Truppe von Politikwissenschaftlern einen Sammelband herausgegeben, der sich der komplexen Beziehung von Bund und Ländern, aber auch Gemeinden und EU aus unterschiedlichsten Perspektiven annähert: Von einer Analyse der immer zunehmenden Regelung unseres Staatswesens durch („15a“-)staatsverträge zwischen Bund und Ländern über eine aufschlussreiche Analyse, wie stark das Wissen um den Bundesstaat in Österreichs Lehrplänen verankert ist (das Stichwort „Bundesrat“kommt kein einziges Mal vor), bis zu einer qualitativen Analyse, wie wichtig welchen Landesparteien welche Themen sind, reicht das Spektrum dieses Buchs. Abgerundet wird das alles durch zahlreiche Umfragen, die zeigen, wie das Verhältnis der Österreicher zu „ihren“Ländern, Gemeinden und dem Bund ist, wie welche Landesbürger zu direkter Demokratie stehen und wo die meisten Menschen glauben, dass das politische System Österreichs grundlegend umgebaut werden muss (in Kärnten übrigens).
In politischen Debatten wird schnell einmal auf den Tisch geworfen, „die Länder gehören abgeschafft, sinnlos, geben nur Geld aus“– dass die Sache ein wenig komplexer ist (nicht nur zum Positiven), zeigt dieser Band exemplarisch. Eine gute Denk- und Diskussionsgrundlage.
Hermann/ingruber/ Perlot/praprotnik/ Hainzl (Hrsg.): regional. national. föderal. facul- tas, 287 Seiten, 26 Euro