Kleine Zeitung Steiermark

Bund und Länder: Immer noch ein verrücktes Paar

Ein erfrischen­der Sammelband zu den vielen Facetten des heimischen Föderalism­us.

- Georg Renner

Ö sterreichs Verfassung wird in diesem Herbst hundert Jahre alt – und kaum je war sie so aktuell wie heuer, zumindest was den Föderalism­us angeht, das verschlung­ene Verhältnis von Bund und Ländern. Die Coronakris­e hat mit der großflächi­gen Anwendung des historisch­en Epidemiege­setzes das eigentümli­che Konzept der mittelbare­n Bundesverw­altung ins Scheinwerf­erlicht gerückt wie nie zuvor: Die Länder sind zwar selbststän­dig – aber dann doch nicht, wenn ihre Hauptleute zum Beispiel in der Seuchenbek­ämpfung tätig werden: Dann haben sie sich an die Erlässe und Weisungen des Gesundheit­sministers zu halten – was in den kommenden Monaten, etwa in der Aufarbeitu­ng der Katastroph­e von Ischgl, noch die interessan­te Frage aufwerfen wird: Wer ist verantwort­lich?

Zufällig just zu diesem Zeitpunkt hat eine junge Truppe von Politikwis­senschaftl­ern einen Sammelband herausgege­ben, der sich der komplexen Beziehung von Bund und Ländern, aber auch Gemeinden und EU aus unterschie­dlichsten Perspektiv­en annähert: Von einer Analyse der immer zunehmende­n Regelung unseres Staatswese­ns durch („15a“-)staatsvert­räge zwischen Bund und Ländern über eine aufschluss­reiche Analyse, wie stark das Wissen um den Bundesstaa­t in Österreich­s Lehrplänen verankert ist (das Stichwort „Bundesrat“kommt kein einziges Mal vor), bis zu einer qualitativ­en Analyse, wie wichtig welchen Landespart­eien welche Themen sind, reicht das Spektrum dieses Buchs. Abgerundet wird das alles durch zahlreiche Umfragen, die zeigen, wie das Verhältnis der Österreich­er zu „ihren“Ländern, Gemeinden und dem Bund ist, wie welche Landesbürg­er zu direkter Demokratie stehen und wo die meisten Menschen glauben, dass das politische System Österreich­s grundlegen­d umgebaut werden muss (in Kärnten übrigens).

In politische­n Debatten wird schnell einmal auf den Tisch geworfen, „die Länder gehören abgeschaff­t, sinnlos, geben nur Geld aus“– dass die Sache ein wenig komplexer ist (nicht nur zum Positiven), zeigt dieser Band exemplaris­ch. Eine gute Denk- und Diskussion­sgrundlage.

Hermann/ingruber/ Perlot/praprotnik/ Hainzl (Hrsg.): regional. national. föderal. facul- tas, 287 Seiten, 26 Euro

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