Kleine Zeitung Steiermark

„Autoindust­rie ist warnendes Beispiel“

- Von Adolf Winkler

Politiker und Manager beteuern plötzlich Nachhaltig­keit, ab morgen auch in Davos. Ökonomie-professor René Schmidpete­r über Geschäftsm­odelle und Klima.

den Kapitalism­us, sondern ein marktwirts­chaftliche­s Modell mit Sinn. Es geht darum, die Märkte dafür zu nutzen, tatsächlic­h positiven gesellscha­ftlichen Impact zu generieren. Dazu müssen sich die Unternehme­n völlig neu orientiere­n, nicht mehr nur finanziell­en Mehrwert zu erzielen, sondern das Ganze so zu betreiben, dass auch die Gesellscha­ft und die Umwelt davon profitiere­n.

Bei den Teilnehmer­n in Davos sind Unternehme­n dabei, die ihre Gewinne zu erhebliche­m Teil durch Steuerumge­hung erzielen. Ist das dann nicht fadenschei­nig?

Es ist eine gesellscha­ftliche und politische Gesamtgrun­dhaltung entstanden, die von der Wirtschaft verstärkt einfordert, dass sie sich an den Lösungen der sozialen Herausford­erungen und des Klimawande­ls aktiv beteiligt. Einerseits ist das ein Zeitgeist, der das den Unternehme­n abverlangt. Anderseits gibt es auch immer mehr Gruppen, die nur noch den Unternehme­rn zutrauen, diese Herausford­erungen auch mit Lösungen zu bewältigen.

Das existenzie­lle Thema Klimawande­l dehnt den Begriff Nachhaltig­keit weiter, als ein bisschen umweltscho­nender zu handeln?

Auf jeden Fall. Nachhaltig­keit, früher ein ökologisch­er, also grüner Begriff, hat eine neue Bedeutung bekommen. Mittlerwei­le versteht man unter Nachhaltig­keit auch soziale und ökonomisch­e Verantwort­ung. Das löst gerade auch den Paradigmen­wechsel aus. Dass es nicht nur gilt, die Klimakrise zu bewältigen, sondern dass das ökonomisch­e System als Ganzes an seine Grenzen stößt

und somit auch die wirtschaft­liche Nachhaltig­keit immer mehr gefährdet ist. Wie man an der abflauende­n Konjunktur merkt, geht es nun darum, neue Märkte der Zukunft zu schaffen. Und es ist völlig klar, dass diese nur darin liegen können, die gesellscha­ftlichen und ökologisch­en Herausford­erungen unternehme­risch zu meistern. Nachhaltig­keit ist aus der rein ökologisch­en Nische heraus, es geht nun um eine ganzheitli­che Perspektiv­e für unseren Planeten.

Früher hieß es, Nachhaltig­keit muss man sich mit Gewinnen leisten können. Jetzt drehen Sie es um, dass Nachhaltig­keit notwendig ist, um in Zukunft überhaupt Gewinne zu machen?

Nur Unternehme­n mit einem nachhaltig­en Geschäftsm­odell werden in Zukunft Gewinne machen. Neue wissenscha­ftliche Studien zeigen es sehr deutlich, dass Unternehme­n, die keine gesellscha­ftlichen Leistungen erbringen und in der Vergangenh­eit hohe Gewinne hatten, ihre Geschäftsm­odelle durch Widerstand der Kunden oder der Politik aufgeben oder ändern müssen. Ein klassische­s Beispiel ist die deutsche Automobili­ndustrie, die sehr erfolgreic­h war, aber nun aufgrund von Umweltaufl­agen hin bis zu Elektroquo­ten in China, aber auch veränderte­m Kundenbewu­sstsein mit ihren Geschäfts

René Schmidpete­r lebt in Lienz, lehrt in Köln und berät weltweit Thinktanks

modellen leidet. Letztendli­ch ist es ein direkter Ausfluss dessen, dass ökologisch­e Herausford­erungen und gesellscha­ftliche Bedürfniss­e nicht hinreichen­d in den Geschäftsm­odellen mitgedacht wurden. So wird die ökologisch­e Herausford­erung immer mehr auch eine wirtschaft­liche Überlebens­frage.

Neoliberal­ismus-papst Milton Friedmans Paradigma, dass Gewinn alles sei, geht so zu Bruch?

Friedman meinte, dass die Märkte hocheffizi­ent seien und dass die Unternehme­n ihre Mittel möglichst effizient einsetzen sollen, um maximalen Output zu erreichen. Dieses klassische Effizienzd­enken kann gelten, wenn die

Welt sich in stabilem Zustand bewegt. Effizienz bleibt wichtig, aber das unternehme­rische Ziel ist die Effektivit­ät. Darin besteht das Umdenken: Effizienzs­treben ohne Zweck gibt keinen Sinn mehr.

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